Tanzprojekt:Schule fürs Leben

Lesezeit: 3 min

Tanzen verbindet: Bewegungen spiegeln und eigene Vorstellungen zum Thema einarbeiten - klassenübergreifende Projektarbeit kommt an. (Foto: dpa)

Weil "Heinrich tanzt!" nach fünf Jahren nicht mehr gefördert wird, macht das Neuperlacher Heinrich-Heine-Gymnasium jetzt in Eigenregie weiter

Von BARBARA HORDYCH

Ein junges Mädchen in schwarz-grauer Gymnastikkleidung sitzt mit überschlagenen Beinen auf dem Boden des Tanzstudios Iwanson und schwenkt die Arme: nach links, nach rechts, hoch über den Kopf, und dann alles noch einmal von vorne, in immer schnellerer Abfolge. Dann springt sie auf und in die Hocke, geht kopfüber in einen Schulterstand. Die etwa 30 Jugendlichen, die ihr gegenübersitzen, versuchen derweil, den Bewegungen ihrer Vortänzerin möglichst genau zu folgen, sie zu spiegeln. Was geht hier vor? Ist sie eine Lehrerin? Oder doch eher eine Kommandantin?

Um genau diese Fragen geht es in dem choreografischen Projekt "Macht!", das 120 Schüler des Heinrich-Heine-Gymnasiums in den vergangenen drei Wochen im Rahmen der Initiativen "Tanz und Schule" und "Campus Staatsballett" erarbeiteten. Premiere hat die sechste Ausgabe von "Heinrich tanzt!" an diesem Mittwoch, 26. Juli, in der Muffathalle.

"Amelie, du bist viel zu nett!", sagt die Münchner Choreografin Barbara Galli und unterbricht die Probe für einen Moment. "Wollen wir, dass das freundlich ist? Dann müssen wir das klären", fragt sie in die Runde der Jugendlichen. Die überlegen. "Anfangs ist es schon freundlich, denke ich. Aber dann werden wir immer mehr kontrolliert", sagt Jakob stellvertretend für die Gruppe. Also gut, alles noch einmal, dieses Mal aber im Ausdruck herrischer, damit das Manipulative der Aktion betont wird.

"Wir haben die Schüler bereits im Vorfeld der Proben Texte schreiben lassen. Sie gefragt, in welcher Lebenssituationen sie sich mächtig oder ohnmächtig gefühlt haben", erklärt Bettina Wagner-Bergelt, Dramaturgin und künstlerische Leiterin der Campus-Projekte des Bayerischen Staatsballetts. Die Idee, über Machtstrukturen zu arbeiten, stamme von der Nürnberger Choreografin Beate Höhn, die das Projekt dramaturgisch begleite. Politisch und zwischenmenschlich hätten sich die Schüler mit dem Phänomen der Macht beschäftigt - bis hin zur Frage, welche Farbe sie habe. Und, zu welchem Ergebnis sind sie gekommen? Für die meisten schillere sie golden oder bronzen, sagt Wagner-Bergelt. "Daraus entstand dann die Idee, einen der Tänzer in einem gold-bronzenen Jumpsuit auftreten zu lassen."

Überhaupt sind es die Vorstellungen und Assoziationen der Schüler selbst, die in das Projekt einfließen. Weshalb "Heinrich tanzt!" sich über die Jahre einer sehr großen Beliebtheit an dem Städtischen Gymnasium in Neuperlach erfreut. Die kreativen und sozialen Erfahrungen sind so positiv, dass die Schule sich sogar entschlossen hat, das Projekt in Eigenregie weiterzuführen. Denn eigentlich hatte nach fünf Jahren "Heinrich tanzt!" mit der Aufführung im vergangenen Jahr Schluss sein sollen. Womit auch das finanzielle Engagement des Staatsballetts, das in den vergangenen Jahren fast alle Kosten getragen und dazu den Schülern seine eigenen Probenräume am Platzl zur Verfügung gestellt hatte, beendet war. Wobei Campus-Leiterin Wagner-Bergelt das Projekt nach wie vor mit Rat und ihren Kontakten unterstützt.

"Die Finanzierung stemmt in diesem Jahr zum großen Teil unsere Schule selbst", sagt die Lehrerin Petra Metz. Sie unterrichtet Mathematik und Physik am Heinrich-Heine-Gymnasium, also nicht unbedingt musische Fächer. Trotzdem ist sie eine sehr engagierte Anhängerin des Projekts, das sie an der Schule mitorganisiert. "Früher gab es ja noch diese Bedenken, wenn in der dreiwöchigen Probenphase der Unterricht ausfällt, aber das ist längst Vergangenheit", sagt sie. Der "interne Gewinn" hätte sich allen rasch offenbart: "Die gesamte achte Jahrgangsstufe ist beteiligt und arbeitet in klassenübergreifenden Gruppen zusammen, das ergibt einen ganz neuen Kontakt untereinander", sagt Metz. Es sei sehr schön zu beobachten, wie selbstbewusst und aufgeschlossen die Schüler durch die tänzerische Körperarbeit würden. Dazu entwickelten sie ein waches Interesse für künstlerische Prozesse.

In diesem Jahr komme als Besonderheit noch hinzu, dass die Komponistin Laura Konjetzki, Schwester der bekannten Münchner Choreografin und Tänzerin Anna Konjetzki, einen Kurs zum Komponieren von Musik auf iPads und mit Apps anbietet. "Obwohl wir den Schülern vorher erklärt haben, dass für die Teilnehmer zusätzliche Stunden anfallen, hatten wir mehr Interessenten, als wir letztendlich aufnehmen konnten", sagt Metz.

"Sehr wichtig ist es, dass die Proben in einer authentischen Umgebung stattfinden, nicht in den gewohnten Unterrichtsräumen", sagt Simone Schulte-Aladag von "Fokus Tanz/Tanz und Schule". Der Verein gab nicht nur 15 000 Euro für die Finanzierung des Projekts hinzu, sondern war auch dabei behilflich, geeignete Probenräume bei der Tanzschule Iwanson anzumieten. Alles ist also ein wenig anders in diesem Jahr.

Heinrich tanzt! , Mittwoch, 26. Juli, 11 und 18 Uhr, Donnerstag, 27. Juli, 11 Uhr, Muffathalle, Zellstraße 4

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: