Tanz:Wuppertaler Wirren

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Adolphe Binder, Intendantin am Tanztheater Wuppertal. (Foto: Caroline Seidel/dpa)

Das Tanztheater Pina Bausch wird von einer Führungskrise erschüttert. Der Geschäftsführer möchte die Intendatin loswerden.

Von Dorion Weickmann

Adolphe Binder, seit vergangenem Jahr Intendantin des Wuppertaler Tanztheaters Pina Bausch, steht möglicherweise vor der Entlassung. Damit ist die Zukunft einer der bedeutendsten Kompanien Europas in Gefahr. Ausgelöst wurde die Führungskrise durch einen schwelenden Konflikt zwischen Binder und dem Geschäftsführer der Kompanie, Dirk Hesse. Dieser hat am Donnerstag in einer Sitzung des Tanztheater-Beirats Binders fristlose Kündigung beantragt. Das Gremium aus Vertretern von Stadt und Land lehnte zunächst ab.

Die Vorwürfe gegen die künstlerische Leiterin sind gravierend. Es geht um Mobbing, Führungsfragen und den Umstand, dass bislang kein Spielplan für die kommende Saison vorgestellt wurde. Die Kritik betrifft Personalinterna und wurde offenbar gezielt in die Öffentlichkeit getragen, um Druck zu erzeugen.

Der Vorgang wirft ein bezeichnendes Licht auf die Struktur des Tanztheaters. Die Intendantin ist, anders als es die Amtsbezeichnung nahelegt, der Geschäftsführung keineswegs gleichrangig, sondern vielmehr von ihr abhängig. Nicht das Geld dient hier der Kunst, sondern umgekehrt. Wo die Verabschiedung eines Spielplans für die Saison 2018/19 blockiert wurde, ist unklar. Hesse war, wie es aus informierten Kreisen heißt, etliche Wochen krank geschrieben und wurde vertreten. Dass eine erfahrene Managerin wie Adolphe Binder nicht in der Lage sein sollte, eine Saison zu planen, erscheint fragwürdig.

Weder Hesse noch Binder sind zu sprechen, auch aus dem Beirat ist nichts zu hören. Ein Teil des Ensembles ist bereits im Urlaub, der andere auf einer Gastspielreise in Paris und blickt schockiert nach Wuppertal. Die Rede ist von "Intrigen" und einer "Anti-Binder-Kampagne". Nazareth Panadero, eine der dienstältesten Akteurinnen des Tanztheaters, sagt am Telefon: "Die Arbeit läuft großartig, das Publikum strömt, wir haben zwei komplett neue Stücke entwickelt - das alles ist Adolphe Binder zu verdanken." Für Panadero ist klar: "Ich will mit ihr weiterarbeiten, und ich habe das Gefühl, die Kompanie will das auch. Sie hat uns einen Weg nach vorne geöffnet." Ebenso fassungslos äußert sich die Tänzerin Julie Shanahan: "Der Umgang mit Adolphe Binder ist unglaublich. Ich kann nicht nachvollziehen, was an ihrer Führungskultur kritisiert wird." Douglas Letheren, seit zwei Jahren am Tanztheater engagiert, erklärt: "Binder ist die richtige Frau am richtigen Platz. Die Mehrheit der Tänzer steht auf jeden Fall hinter ihr. Aber wir sind weder informiert noch gefragt worden, obwohl es um die Zukunft der Kompanie geht - um einen Neuanfang!"

In der Tat wurde die 49-jährige Binder für diese Mission verpflichtet. Seit dem Tod der Gründerin Pina Bausch 2009 kam das Ensemble nicht zur Ruhe. Immer klarer zeichnete sich ab, dass die Kompanie sich erneuern muss. Dafür sind Impulse von außen notwendig. Dass es in solchen Umbrüchen zu Verwerfungen kommt, ist nichts Ungewöhnliches - wenn die Beteiligten an einem Strang ziehen. Das ist in Wuppertal offensichtlich nicht der Fall. Deshalb gefährdet die Auseinandersetzung den Fortbestand der Kompanie, die sich vor eine Zerreißprobe gestellt sieht.

Der Beirat tritt in der kommenden Woche wieder zusammen. Er wird nicht nur über das Schicksal von Adolphe Binder entscheiden, sondern auch in der Führungsetage des Tanztheaters aufräumen müssen.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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