SZ-Literaturkoffer:Schöner Freund

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Der „SZ Literaturkoffer Frankreich“ der Süddeutsche Zeitung Edition beinhaltet drei Romane und ein Reisetagebuch: Einen Klassiker, einen Krimi, einen Urlaubsroman und das individuelle Reisebuch. Er kostet 34 Euro. (Foto: SZ)

Die neue SZ-Edition "Literaturkoffer" beinhaltet jeweils vier Bücher aus einem europäischen Land, dem man sich lesend nähern kann. Diesmal geht es um Frankreich, zum Beispiel mit Guy de Maupassants Buch "Bel-Ami".

Von Bernd Graff

"Er nahm ihre Hände. ,Oh, wie ich Sie liebe, wie Sie gut und tapfer sind! Sie wollen also den Marquis nicht heiraten?' ,O nein.' ,War Ihr Vater böse, als Sie Nein sagten?' ,Das will ich meinen, er wollte mich in ein Kloster schicken.' Sie hatte den Kopf voller Gedanken über die Entführung. Sie wurde entführt. Sie war stolz darauf. Er dachte: ,Also, wenn diese Kleine den Mut hat, dann würde die Sache endlich klappen.' Seit drei Monaten spann er um sie das unwiderstehliche Netz der Zärtlichkeit. Er bezauberte, verführte und eroberte sie. Und dann hatte er mit Leichtigkeit ihre Puppenseele gewonnen." Der Mann, der Puppenseelen sammelt und nach Lust und Laune wieder zerbricht, ist Bel-Ami, ein Frauenheld, Salonlöwe und Emporkömmling, dessen einzige Fähigkeit es ist, Frauen in sich verliebt zu machen.

Und diesen Muskel lässt er gnadenlos spielen, weil er über die Damen an Macht und sehr viel Geld kommt. Ehemänner und empörte Väter schnippt Bel-Ami weg wie lästige Fliegen. Die Titelfigur Bel-Ami in dem im Jahr 1885 erschienenen Roman des französischen Romanciers Guy de Maupassant flaniert durch ein Paris des Fin de Siècle und lässt es unwiderstehlich, ebenso spannend wie beißend ironisch wieder aufleben.

Der mittellose ehemalige Unteroffizier Duroy gerät über alte Kameraden in die Salons der feineren Welt und reüssiert dort in Windeseile. Man macht ihm bald das Angebot, Reporter für Magazine zu werden. Als dem Streber bald klar wird, dass er keinerlei Talent dazu hat, lässt er sich von einer Kameradengattin die Artikel schreiben. Schnell wird er zum "schönen Freund", keine Abendgesellschaft ist vollständig, wenn der Dandy nicht daran teilnimmt. Über klug arrangierte Eheschließungen und eine zufriedenstellende Scheidung kommt der Nicht-Soldat und Nicht-Reporter dann zu beträchtlichem Vermögen. Hinreißend zu lesen, wie begeistert und begierig sich die feineren Kreise in der französischen Hauptstadt von diesem Hochstapler blenden lassen. Sie wollen betrogen werden, also betrügt sie der Schönling. Bel-Ami ist literarisch also ein echter Bruder im Geiste des Thomas Mannschen Felix Krull.

Dieser Roman von Guy de Maupassant, des mit Stendhal, Balzac, Flaubert und Zola größten französischen Erzählers des 19. Jahrhunderts, ist Teil des "SZ Literaturkoffers Frankreich". Dazu gehört des Weiteren der 2014 erschienene Roman "Die erste Liebe" von Véronique Olmi, die aufregende Geschichte einer Frau, Mutter und Gattin, die Familie und Mann am Tag ihrer eigenen Silberhochzeit spontan verlässt, um die Liebe ihres Lebens wiederzufinden. Dann gibt es noch den Krimi mit dem an sich unspektakulären Titel "Ein Morgen wie jeder andere" von Christian Pernath, in dem ein zunehmend undurchsichtiger werdender Tierarzt in die Liebe, aber eben auch in den Mord an einer ganzen Familie auf einem Bauernhof in der Nähe von Nantes verstrickt wird.

Und es gehört zum Reisebuch ein persönliches Tagebuch mit in diesen SZ-Koffer, in das man eigene Reise-Eindrücke eintragen kann, aber auch Aphorismen, Gedichte, Rezepte und Reiseessays findet, die einem das Nachbarland Frankreich nahebringen. "Lili lit le livre dans le lit" meint, dass eine Lili ein Buch im Bett liest, im Original ist es ein Zungenbrecher, der hier aber überhaupt nicht andeuten will, wie und wo Sie den Inhalt dieses SZ-Koffers genießen sollen.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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