Street Art:Das Phantom an der Dose

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Die Identität von Graffiti-Künstler Banksy soll mal wieder enttarnt worden sein. Diesmal von britischen Wissenschaftlern.

Von Bernd Graff

Er ist das berühmteste Phantom der Kunstszene und ein humorvolles obendrein: Banksys sozialkritische Straßenbilder machen gute Laune. Eine gewisse Ironie steckt darin, dass seine Street Art, die im englischen Bristol ihren Ausgang nahm, die öffentlichste Kunst überhaupt ist, während der Graffitikünstler jahrzehntelang unerkannt bleiben konnte. Die Heimlichkeit um seine Person steht dabei im Gegensatz zum globalen Auftauchen seiner Arbeiten: Auf allen fünf Kontinenten wurden schon Banksy-Bilder gesichtet, gerade erst ein Porträt von Steve Jobs im Flüchtlingslager von Calais, davor gestaltete er Dismaland, die so düstere wie witzige Parodie eines Disneyparks im britischen Badeort Somerset.

Der Mann gibt vermummt Interviews, eine Webseite belegt sein Wirken, eine andere dient der Autorisierung von Bildern, die nach der Prüfung als authentische Banksys für viel Geld versteigert werden. Das Guerillahafte ist so zu einer ertragreichen Marke geworden. Juristen, die als Banksys Vertreter beschäftigt sind, haben ordentlich zu tun. Gerade erst recht. Denn Banksy ist enttarnt. Mal wieder.

Bereits 2008 hatte eine Boulevardzeitung spekuliert, das Phantom an der Spraydose könnte der Bristoler Robin Gunningham sein, ein Jahr lang habe man dazu recherchiert. Banksys Juristen bestritten das postwendend. Nun haben Wissenschaftler der Londoner Queen Mary Universität mit den Methoden des Geo-Profiling versucht, Banksy zu identifizieren. Dabei werden Orte von Ereignissen miteinander in Beziehung gesetzt. Dieses kriminalistische Verfahren nutzt man, um die Tatorte von Serienverbrechen mit Wohnorten möglicher Täter in Verbindung zu bringen. Oder um Epidemien zurückzuverfolgen. Oder eben, um Banksy zu enttarnen.

Das Team um Steven Le Comber, der Biologe ist und sonst die Ausbreitung von Malaria untersucht, erläutert dies so: "Unser Modell nutzte als Vorgabe die Orte der Kunstwerke und berechnete die Wahrscheinlichkeit des Wohnorts des 'Täters' über das Gebiet der Studie." Die Positionen von 140 Banksy-Werken in London und Bristol habe man analysiert. Während Le Comber recht vollmundig bekannt gab, dass Banksy besagter Robin Gunningham sei, während die Forschungskonkurrenz hingegen sofort fehlendes "Fine Tuning" in der Studie bemängelte, traten Banksy-Anwälte auf den Plan.

Wie die BBC berichtet, hätten sie interveniert, um den Wortlaut der Pressemitteilung zu der Studie, die im Journal of Spatial Science erschienen ist, herunterzukochen. In der bearbeiteten Pressemitteilung heißt es, die Studie unterstütze die alte Theorie des Boulevardblatts zu Banksy. Dann aber wird betont, dass ihre eigentliche Bedeutung darin liege, mit Hilfe der Technik zukünftig auch Terroristen frühzeitig identifizieren zu können, die ja "oft vor ihren eigentlichen Attacken Low-Level-Verbrechen wie Vandalismus oder Graffiti" begingen. Die Frage lautet also nicht, ob Banksy bürgerlich Robin Gunningham heißt, auch nicht, inwieweit eine Enttarnung den Wert und die Preise seiner Werke schmälert, sondern, ob Malariaforscher wissen, was Terroristen so treiben.

© SZ vom 09.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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