Stimmen zum Tod von Peter Zadek:"Leuchtturm meines Lebens"

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"Enfant terrible und Wahnsinniger!" Weggefährten erinnern sich an Peter Zadek, der seine Epoche geprägt hat. Regietheater wäre ohne ihn undenkbar.

Christopher Schmidt

Die Theaterwelt trauert um Peter Zadek. Kulturstaatsminister Bernd Neumann würdigte die "beispiellose künstlerische Energie" des Regisseurs. In der Tradition Shakespeares sei es Zadek gelungen, populäres Theater mit intellektuellem Anspruch zu verbinden. In Peter Zadek habe das Theater einen "seiner großen Zauberer" verloren, so Bundestagspräsident Norbert Lammert. Der Schauspieler Gert Voss nennt Zadek den "Leuchtturm meines Bühnenlebens".

Der Schauspieler-Befreier: Peter Zadek mit seinen Hauptdarstellerinnen Eva Mattes (l.) und Ilse Ritter 1985 nach der Aufführung von "Die verlorene Zeit" von John Hopkins an der Freien Volksbühne in Berlin. (Foto: Foto: dpa)

Er habe den Schauspieler davon befreit, sich zu verstellen, und ihn dazu gebracht, sich zu enthüllen. Für den Chef der Salzburger Festspiele, Jürgen Flimm hat Zadek das Theater revolutioniert, war in seiner Radikalität ein "großes Vorbild". Der Intendant des Hamburger Thalia Theaters, Ulrich Khuon, nennt den Theatermann einen "epochalen Regisseur" von "anarchistischer Energie". Dadurch habe Zadek das deutsche Theater "befreit", sagt der ehemalige Burgtheater-Intendant Nikolaus Bachler.

Viele seiner wichtigsten Schauspieler wie Eva Mattes oder Uwe Bohm wollen und können sich noch nicht äußern zum Tod des großen Regisseurs. Zu sehr stehen sie unter Schock. "Angela Winkler und ich haben die Köpfe aneinandergelehnt und uns gegenseitig von ihm erzählt", sagt Hans-Michael Rehberg, den die Nachricht bei gemeinsamen Proben mit der Zadek-Protagonistin erreichte. "Als zurückgekehrter Emigrant hat Zadek das deutsche Theater belebt und aufgemischt", sagt Rehberg weiter, der in drei Zadek-Inszenierungen gespielt hat. Sein so anderer Blick auf das Theater sei ungeheuer an- und aufregend für Schauspieler gewesen, "eine Erfrischung und Erholung".

Einer, der eng mit Zadek befreundet war und bis zuletzt mit ihm in Verbindung stand, ist der Regisseur Luc Bondy. "Wir haben sehr oft telefoniert, manchmal fast täglich. Zadek war eine faszinierende Persönlichkeit. Sein Magnetismus hatte mit seiner Neugier zu tun. Auf andere wirkte er oft manisch, denn er wollte das Theater immer neu erfinden." Oft werde gesagt, dass Zadek sich nicht für Literatur interessiert habe: "Aber wenige wissen, dass er zum Beispiel als junger Mann in Korrespondenz mit dem Theaterrevolutionär Edward Gordon Craig stand. Peter Zadek war authentisch, mit sich eins, auf eine rastlose, nervöse, von Todesangst getriebene Art."

Das ganz Besondere dieser Künstlerpersönlichkeit sei seine geistige Unabhängigkeit gewesen. "Er hatte einen Seitenblick auf die Stücke, sah einen Aspekt, in den er sich hineinsteigern und hineinphantasieren konnte. Merkwürdig, in der vergangenen Nacht konnte ich nicht schlafen. Am Morgen erfuhr ich, dass Zadek tot ist."

Das Schreckliche sei, sagt ein anderer Weggefährte, Tom Stromberg, dass man ja "fatal vorbereitet" gewesen sei auf Zadeks Tod: "Wenn ich nicht mehr inszenieren kann, möchte ich sterben", habe Zadek einmal gesagt. "Und so ist es gekommen. In meiner Zeit als Intendant am Hamburger Schauspielhaus wollte er immer bei mir inszenieren. Aber ich war dagegen, dass er seine Theaterfamilie mitbringt und die wie ein Heuschreckenschwarm einfällt." Strombergs Widerstand imponierte Zadek so sehr, dass er ihm später vorschlug, gemeinsam ein freies Theater zu gründen.

"Für mich war Zadek unter den großen Regisseuren der größte, ein Enfant terrible und ein Wahnsinniger. Er war geradezu besessen von der Suche nach Qualität und überprüfte alles. Mit Zadek konnte man nicht quatschen - ein falscher Satz, und es traf einen sein Bannstrahl." Wie fast jeder, der mit Zadek gearbeitet hat, habe er sich mindestens zehn Mal mit ihm zerstritten und wieder versöhnt, sagt Stromberg. Und fügt noch hinzu: "Wenn jetzt wieder diese unsinnige Diskussion um das Regietheater geführt wird, muss man den Namen Zadek nennen, denn der hat's erfunden."

© SZ vom 31.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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