Spurensuche:Wohnalbtraum

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Krach im Treppenhaus: Shelley Winters und Roman Polanski in „Der Mieter“. (Foto: imago/United Archives)

Schreckliches Haus: In Roman Polanskis "Der Mieter" verwandelt sich ein Mann nach und nach in den Außenseiter, den die anderen in ihm sehen wollen.

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Jede Gruppe kann sich ein ein Feindbild konstruieren.

Für manche Abneigungen gibt es gute Gründe, gerne aber wächst der Hass ungehemmt von objektiven Kriterien. Eine solche Geschichte erzählt Roman Polanski in "Der Mieter": Da bricht für einen Mann die Hölle los wegen einer harmlosen Abendgesellschaft, und alle andereren im Haus scheinen etwas zu hören, was nicht da ist. Der Film, 1976 gedreht, enthält den Bauplan für eine vergiftete Atmosphäre, in der sich alle auf einen Eindringling einschießen und ihn verunsichern, bis er nicht mehr er selbst ist.

"Der Mieter" ist der letzte Teil der Appartement-Trilogie, und irgendwie sind alle drei Horrorfilme. Polanski hatte vorher schon "Ekel" (1966) und "Rosemary's Baby" (1969) gedreht - den beiden Frauen, die im Zentrum dieser Filme stehen, fühlen sich selbst in den eigenen vier Wänden bedroht. So ergeht es auch Trelkovsky, den Polanski selbst spielt: Er zieht in eine Wohnung, deren Vormieterin Simone aus dem Fenster gesprungen ist. Sie liegt da, eingegipst von Kopf bis Fuß, dass sie stirbt ist Trelkovskys Glück - obwohl er ja nichts dafür kann. Auch im Paris der Siebziger war Wohnraum knapp. Trelkovskys Altbautraum wird dann doch mehr zu einem kafkaesken Albtraum.

Es gibt dauernd Ärger mit den anderen Bewohnern. Der Vermieter, Monsieur Zy (Melvyn Douglas), staucht ihn im Flur zusammen, weil er Trelkovsky Damenbesuche verboten hatte; Trelkovsky weiß nicht, wovon der Mann redet. Was immer Trelkovsky auch tut, es scheint die neuen Nachbarn zu stören. Seine einzige Chance, sich zu bewähren, besteht darin, eine andere Bewohnerin zu mobben - aber das will er nicht. Es geschehen bald merkwürdige Dinge: In das Appartement wird eingebrochen, Trelkovskys Besitz kommt so abhanden; Simones Sachen, ihre Kleider im Schrank, ihre Möbel, alles ist noch da. Und ein Guckloch in der Wand.

Trelkovsky geht zur Polizei, aber man hält ihn für einen Querulanten. Er fühlt sich beobachtet, angegriffen, die ganze Zeit - was er sich davon einbildet, was die anderen ihm tatsächlich antun, geht in manchen Szenen fließend ineinander über. War er vorher schon verrückt? Oder verliert er seinen Verstand? Zumindest hat er seine Identität verloren. Er verwandelt sich und füllt die Lücke, die Simone hinterlassen hat; als müsste einer in diesem Haus immer derjenige sein, der sich am liebsten aus dem Fenster stürzen würde.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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