Spurensuche:Masken der Populisten

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Der Totalitarismus ist nahe, und er lauert hinter den populistischen Masken des Normalen. Erschreckend, wie in John Carpenters Horrorfilm ''Sie leben'' ihre Parolen entlarvt werden. In einem Film aus dem Jahr 1988.

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Lauert der Totalitarismus hinter populistischen Oberflächen?

Einfache Lösungen haben gerade Konjunktur in der Politik - der Präsidentschaftskandidat der FPÖ will einfach das Freihandelsabkommen nicht unterschreiben, falls er die Stichwahl gewinnt, Donald Trump plant eine Mauer an der mexikanischen Grenze und Beatrix von Storch von der AfD verkleidet ihre Kollision mit der im Grundgesetz garantierten Religionsfreiheit mit der Behauptung, der Islam sei nicht etwa eine Religion, sondern eine politische Ideologie.

Hollywoods Horrorspezialist John Carpenter ("Die Klapperschlange") liefert eine ganz eigene Erklärung für das, was hinter den Parolen lauert, "Sie leben", 1988. Es fängt alles an mit einem namenlosen Typen, der auf der Suche nach einem Job in Los Angeles landet. Die Zeiten sind rau, die Jobs sind rar, und an die soziale Ungleichheit scheinen sich alle gewöhnt zu haben. Er sieht merkwürdige Piratenbotschaften im Fernsehen, eine Untergrund-Gruppe behauptet, nichts sei so, wie es scheint, die Gruppe tarnt sich als Kirchengemeinde - und wird dann doch von der Polizei hochgenommen. Das Einzige, was dann noch da ist, sind Sonnenbrillen. Und der namenlose Provinzler ist perplex, als er eine solche Brille aufsetzt.

Er schaut nach oben, und auf den Werbetafeln stehen plötzlich Befehle. Und auf allen Seiten des Magazins, das er am Zeitungskiosk durchblättert. Und auf allen Pappschachteln im Supermarkt: Gehorche! Hinterfrage nicht die Autorität! Habe keine unabhängigen Gedanken! Kaufe! Ordne dich unter! Heirate und habe Kinder!

Und dann die Ansprache eines Politikers im Fernsehen. Ein neuer Morgen ist angebrochen, sagt er, Amerika ist optimistischer als je zuvor, vital, zukunftsorientiert - "der alte Zynismus ist weg." Durch die Sonnenbrille sieht der Mann aber Furcht einflößend aus, man sieht sein wahres Gesicht, eine totenkopfartige, metallene Fratze. Überall laufen solche Gestalten herum, die Männer mit den Aktentaschen, die Frauen in Pelzmänteln - die ganze Elite besteht nur aus . . . Außerirdischen.

So ganz ernst hat Carpenter das natürlich nicht gemeint, "Sie leben" ist ein richtiges B-Movie mit Kultstatus und den dazugehörigen Albernheiten. Das Ende entwickelt dann aber fast ein bisschen echtes Pathos: Der Apparat, der den Menschen falsche Bilder vorgaukelt, wird zerstört. Alle können plötzlich wieder sehen. Und die Außerirdischen kriegen ganz große Angst.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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