Spurensuche:Auf Kriegsfuß

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Charles Chaplin (Mitte) als Despot Hynkel, Jack Oakie als Napaloni (rechts) in "Der große Diktator", 1940. (Foto: © Roy Export Company Establishme)

US-Präsident Donald Trump hat sein Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un abgesagt. Dass solche Politduelle eine komplizierte Sache sind, wusste schon Charles Chaplin in "Der große Diktator" (1940).

Von Fritz Göttler

Die Welt verändert sich ständig, nicht aber die großen Fragen, die die Menschen bewegen. Gipfeltreffen können absurde Züge entfalten. Charles Chaplin hat das in "Der große Diktator" vorgeführt im Jahr 1940.

Politik ist ein komisches Geschäft, ihre Regeln und Rituale - die vor allem, die zu einem staatsmännischen Gipfeltreffen gehören. Ein heikles Unternehmen, stets auf dem Weg zum absurden Theater, zumal wenn es zwei absolute Herrscher zusammenbringen soll. Wenn also Politik vom PR-Effekt abhängt, von der Selbstdarstellung und -vermarktung. Immer wenn der eine der beiden am Zug ist, wächst beim anderen die Angst, er könnte ins Hintertreffen geraten. Diplomatie als ein lächerliches Geruckel.

Donald Trump und Kim Jong-un haben das durchgespielt, mit ihrem pompös angesetzten Treffen - in Singapur im Juni -, das sie dann mit aggressiven Gebärden wieder torpedierten, sodass Trump es schließlich am Donnerstag absagte. Eine filmische Variation hat Charles Chaplin vor fast siebzig Jahren geliefert, in seinem "Großen Diktator", seiner naiv-bösen Hitlerparodie von 1940.

Chaplin selbst spielt Hynkel, den Diktator von Tomania, und der hat ein Problem. Er plant den Einmarsch ins Nachbarland Osterlich, aber in das will auch unbedingt sein Diktatorenkonkurrent hinein, Benzino Napaloni von Bacteria. Gemeinerweise lässt er schon mal Truppen an der Grenze aufmarschieren, Hynkel muss Bacteria den Krieg erklären. In diesem Moment ruft Napaloni an, und die beiden beschließen ein Gipfeltreffen.

2 975 000 treue Bürger sind versammelt, um Napaloni am Bahnhof zu empfangen (die Größe von Menschenmassen bei feierlichen Großveranstaltungen scheint auch hier schon Thema zu sein). Hynkel steht mit seinem Propagandaminister Garbitsch am Gleis, wo Napalonis Sonderzug einfahren soll. Der Zug stoppt, und Hynkel stellt sich pompös in Empfangspositur. Aber unvermutet setzt sich der Zug wieder in Bewegung und rutscht zehn Meter weiter. Napaloni (gespielt von Jack Oakie) ist empört. Seine Frau drängt zum Aussteigen, "Nein!", raunzt er, er werde nicht aussteigen, wenn kein Teppich für ihn bereitliege. Hynkel hastet mit seinem Empfangstrupp zur Abteiltür, um den gebührenden Teppich zu entrollen. Prompt ruckelt der Zug wieder in die alte Position zurück. Natürlich werden die Napalonis jedes Mal kräftig durchgerüttelt.

Die Szene ist ganz einfach gefilmt, im Geist des amerikanischen Slapsticks der Stummfilmzeit. Der Zug ist ein Pappkonstrukt, manchmal gar als Rückprojektion gefilmt. Über Chaplins Verachtung dem Politgeschäft gegenüber liegt eine traurige Bitterkeit. Gleich nach Napalonis Anruf zum Gipfeltreffen zerriss Hynkel den vorbereiteten Kriegsbefehl: Frieden ist erklärt.

© SZ vom 26.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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