Ebenfalls im 19. Jahrhundert tauchte in schriftlicher und künstlerischer Form die Figur des Casanova auf, der im 18. Jahrhundert wirklich gelebt hatte (1725 - 1789), und zwar als venezianischer Schriftsteller, Abenteurer und "Libertin" - als ein Mensch, der sich nicht an moralische und sexuelle Normen gebunden fühlte.
Der Sohn italienischer Schauspieler, dessen Vater früh verstarb, soll als Kind so krank gewesen sein, dass er den Tod in seinem späteren Leben kaum noch gefürchtet habe. Was als ein Mitgrund für seinen ausschweifenden Lebenswandel angesehen wird. Während einer Predigt soll er im Alter von 16 Jahren betrunken von einer Kanzel gefallen sein - kurz darauf galt seine frühe Karriere als Geistlicher als beendet. Fortan zog er es vor, zu reisen - und die wichtigsten Geistlichen, Herrscher und damaligen Weltenlenker kennenzulernen. An deren Höfen und auf deren Schlössern, ob beim Papst oder am russischen Zarenhof, brachte sich der große Verführer ein ums andere Mal in Stellung. Giacomo Casanova war nie verheiratet, ihm werden allerdings zahlreiche uneheliche Nachfahren nachgesagt. Bis heute verkaufen sich seine Memoiren als weltgrößter Frauenverführer so gut, dass der französische Staat das Manuskript 2010 der deutschen Verlegerfamilie Brockhaus für mehr als 7 Millionen Euro abkaufte. Das gilt als höchster jemals für ein Manuskript erzielter Preis. Die Familie Brockhaus hatte sich lange vor einer Veröffentlichung gedrückt, weil sie befürchtete, der Unmoral beschuldigt zu werden. Weil stattdessen Nachdrucke und Auswahlausgaben des Manuskripts entstanden waren, die sich allein auf Casanovas Rolle als Verführer kaprizierten, steigerte sich die Nachfrage enorm.
Dabei starb der "Günstling der Frauen" am Ende seines Lebens als störrischer Bibliothekar auf Schloss Dux in Tschechien. Ein Neffe des Grafen von Waldstein, der ihm diesen letzten Job verschafft hatte, beschrieb Casanovas Lebensabend: "Es gab keinen Tag, an dem er sich nicht über seinen Kaffee, seine Milch oder den Teller Makkaroni beschwerte, den er täglich verlangte ... Der Graf hatte ihm nicht als erster guten Morgen gewünscht. Die Suppe war ihm absichtlich zu heiß serviert worden. Ein Diener hatte ihn auf ein Getränk warten lassen. Er war einem berühmten Besucher nicht vorgestellt worden ... Der Graf hatte ein Buch verliehen, ohne ihn davon zu verständigen. Ein Diener hatte nicht den Hut gezogen, als er an ihm vorüberging ... Er hatte seine französischen Verse vorgezeigt, und jemand hatte gelacht. Er hatte gestikuliert, als er italienische Verse vortrug, und jemand hatte gelacht. Er hatte beim Betreten eines Raumes die Verbeugung gemacht, die ihm von dem berühmten Tanzlehrer Marcel vor sechzig Jahren beigebracht worden war, und jemand hatte gelacht..."