Schauplatz Wien:Regelrecht manierlich

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Endlich! Die Ballsaison ist eröffnet. Am Freitag gibt es den Akademikerball, die Rechtspopulisten Europas freuen sich schon auf den Korporationsball. Aber die eigentliche Frage: Welchen Star zaubert Opernballfossil Lugner aus dem Hut?

Von Cathrin Kahlweit

Der Schocker der laufenden Ballsaison in Wien ist: Desiree Treichl-Stürgkh legt ihr Amt nieder. In der "Desi Treichl steckt mehr als nur Opernball" hatte die Organisatorin des wichtigsten Events der Saison wenige Tage vor dem nächsten Opernball verkündet, der ihr neunter und letzter werden soll. Die Gründe für ihren Ausstieg, überaus verständlich: mehr Zeit für die Familie, andere Projekte. Und so geht am 4. Februar wieder eine Ära zu Ende, denn die "Opernball-Lady" und Buchautorin ("Lebensstil: Wie Sie mit Charme und Eleganz besser durchs Leben kommen") war eine Ikone der tanzenden Hauptstadt.

Auch sonst ist in diesem Jahr sehr wenig wie sonst. Schon im vergangenen Herbst wurde bekannt, dass 2016 kein Life-Ball stattfinden wird. Dessen Seele und Erfinder, Gerry Keszler, machte nach langem Zögern seine Aids-Erkrankung öffentlich und gab dann bekannt, dass er eine Pause brauche, um das Konzept des Charity-Events auf eine "neue Ebene" zu heben.

Dann musste der Wiener Landesjägerball wegen eines Brandes im Büro des Jagdverbandes abgesagt werden, der Europaball in Wiener Neustadt auch - der Vorverkauf war zu schlecht gelaufen. Beim Jägerball des Grünen Kreuzes, sozusagen dem großen Bruder des Landsjägerballs, wurde vor der Hofburg laut und heftig gegen die Gatterjagd demonstriert, was den in Tracht erschienenen Gästen, die in Scharen einen geschützten Zugang suchten, die Stimmung ein wenig vermieste.

Am Freitag steht der Akademikerball an. Die FPÖ hat mittlerweile die Patenschaft für den Aufmarsch von farbentragenden und schlagenden Verbindungen übernommen. Der vormals unter "Korporationsball" (WKR-Ball) firmierende Tanzabend zieht Jahr für Jahr zahlreiche Rechtspopulisten aus Europa, aber auch regelmäßig viele friedliche Gegendemonstranten und einen bisweilen militanten schwarzen Block an. Für dieses Jahr aber hat die Französin Marine Le Pen abgesagt, und eine der schlimmsten Randaletruppen, das nach Eigendefinition linksradikale und antifaschistische Bündnis NOWKR, hat sich aufgelöst, tritt mithin auch nicht an. Die Polizei steht parat, wie jedes Jahr gibt es zwei Demonstrationszüge und eine Kundgebung, aber in Wien ist man irritiert: Die Luft ist irgendwie raus.

Bleibt der Opernball in der kommenden Woche. Verlässlich wie immer hat der alte Beau Richard "Mörtel" Lugner, bekanntester Wiedergänger unter den Opernballgästen, einen Star gesucht, aber diesmal in der Ex-Hollywood-Mimin Brooke Shields einen weniger skandalträchtigen denn spektakulären Fang gemacht. Seine aktuelle Gattin Cathy (Spatzi) sieht aus wie ein Playboy-Model und ist außerdem nicht auf den Kopf unter der blondierten Mähne gefallen. Der Auftritt der Lugner-Partie könnte also in diesem Jahr regelrecht manierlich ausfallen. Was man zuletzt nicht mehr gewöhnt war. Fast schade, denn was hat der Staatsball an Unterhaltung zu bieten?

Aber manches bleibt zum Glück doch, wie es ist. Obwohl derzeit von einer erhöhten Gefährdungslage in Europa auszugehen ist, gibt es für den Opernball keine spezielle Terrorwarnung. Auch der rote Teppich wird, wie immer, für die Stars ausgerollt. Und der ORF wird dort, wie immer, seine Ankunftsinterviews machen. Beruhigend, irgendwie.

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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