Schauplatz Wien:Die stockende Stadt

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Der Ring um die Innenstadt ist gesperrt. Das ist er fast immer. Für Hanf-Paraden. Oder eine Bademantel-Demo für Udo Jürgens.

Von Cathrin Kahlweit

Der Ring um die Innenstadt war kürzlich mal wieder gesperrt. Allerdings nur einspurig und nur ein kleines Stück - und sogar aus gutem Grund, weil die Straßenbahngleise Stück für Stück erneuert werden. Österreich im Allgemeinen und Wien im Besondern mögen ja während der vier Wahlkämpfe in diesem Jahr und auch sonst viel über den Aufstieg der FPÖ und die Flüchtlingskrise debattiert haben, über Sozialstaat oder Europa, über Finanzskandale oder Griechenland. Aber im 1. Wiener Bezirk - dort, wo die Kunstschätze stehen und die Touristen paradieren, wo die Fiaker kreisen und die Grandhotels glitzern - dort gab es vor allem ein Thema: die andauernde Sperrung der Ringstraße.

Durchschnittlich an jedem vierten Tag im Jahr 2015, mehr als 75 Mal bisher, wurde oder wird die Prunkstraße in Österreichs Hauptstadt an der einen oder anderen Stelle für den Verkehr gesperrt. Dabei geht es selten um politische Demonstrationen und damit um das Recht auf Meinungsfreiheit, sondern häufig um Events und Umzüge: eine Bademantel-Demo zum Tod von Udo Jürgens, Techno- oder Oldtimer-Paraden, Marathons. Dreharbeiten für den neuen "Mission-Impossible"-Film. Eine Promotion-Aktion fürs Fahrradfahren oder fürs Spazierengehen. Eine "Hanf-Demo" oder die "Demonstration für Baumalleen für die City" - alles ist möglich. Für besonders viel Verärgerung sorgte die Aktion "Rasen am Ring", bei der mit Kunstrasen statt rasenden Autos für eine dauerhaft autofreie City-Umfahrung geworben werden sollte; die Folge: ein riesiger Verkehrsstau.

Im gerade zu Ende gegangenen Wahlkampf votierte ein Kandidat im 1. Bezirk daher für ein Ende des "Firlefanzes", auch die Rechtspopulisten haben gegen "Autofahrer-Schikanen" protestiert. Und der siegreiche ÖVP-Politiker hat als erstes mal versprochen, die permanenten Ringsperren zu bekämpfen. Die Grünen, die (noch laufen die Koalitionsverhandlungen) wohl wieder in der Stadtregierung sitzen werden, sind keine Autofans, aber deshalb nicht unbedingt für Udo-Jürgens-Bademantel-Demos, was eine Positionierung schwierig macht. Die SPÖ hat, schauen wir mal, dann sehen wir schon, versprochen, sich das Phänomen genauer anzuschauen.

Wenig zu hören war dazu bisher von Nationalratsabgeordneten, die das wunderschöne, aber baufällige Parlament auch über den Ring und die angrenzenden Straßen erreichen müssen. Was die Wiener bisher kaum zur Kenntnis genommen haben: 2017 ziehen die Parlamentarier in die Redoutensäle der Hofburg und in Pavillons auf dem Heldenplatz um. Denn das Hohe Haus wird umfassend renoviert. Dann werden also auch Teile des Heldenplatzes für eine lange Zeit gesperrt sein. Von wegen Wien, offene Stadt.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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