Schauplatz Venedig:Wie der Tourismus die Stadt verändert

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Die Unesco wird die Stadt Venedig auf die Liste der gefährdeten Kulturdenkmäler setzen, wenn dort nicht endlich etwas getan wird, um den Bestand und die Bewohner zu schützen.

Von Thomas Steinfeld

Nach Silvester, als der größte Teil der Touristen Venedig verlassen hatte, blieben die Plakate noch eine Weile hängen, bevor Wind und Regen sie davontrugen: "Tourists go away", stand auf ihnen geschrieben, "you are destroying this area" ("Touristen, geht fort, ihr zerstört diese Gegend"). An manchen Klappläden aber hängt noch immer der Panda, das Wappentier des mächtigsten Naturschutzverbandes der Welt. Es sind die Einheimischen, die den gleichen Schutz für sich reklamieren, der ansonsten seltenen Tieren zukommen soll. Es leben nur noch etwa 56 000 Venezianer in der Stadt, und es werden rapide weniger: Denn im selben Maß, wie der Tourismus sich mit seiner Infrastruktur ausbreitet, von der Wohnung, die über Airbnb vermietet wird, bis zum unvermeidlichen Maskengeschäft, verschwindet die Infrastruktur für die Bewohner, vom Eisenwarenladen bis zum Gemüsehändler. In den vergangenen vier Jahren wurden im historischen Zentrum mehr als viertausend Wohnungen, in denen zuvor Venezianer gelebt hatten, in Appartements für Touristen umgewidmet, und das sind nur die offiziell erfassten. Tatsächlich dürften es viel mehr sein.

Kreuzfahrtschiffe sollen künftig nicht mehr durch die Altstadt fahren dürfen

Im Jahr 2014 hatte die Unesco zum ersten Mal gewarnt, man werde Venedig auf die Liste der "gefährdeten" Stätten des Weltkulturerbes setzen, falls man sich dort nicht endlich um den Erhalt der Stadt und der Lagune kümmere. Die Liste der Monita, die sich in der Übersetzung vom Englischen ins Italienische von Forderungen ("requests") in Empfehlungen ("recommendazioni") verwandelte, war lang: Es sollte keine Kreuzfahrtschiffe im Canale della Giudecca mehr geben; ein Plan zur Erhaltung der Lagune und der historischen Bausubstanz wurde ebenso angemahnt wie die Durchsetzung der Geschwindigkeitsregeln für den Bootsverkehr. Es fehlte ein Konzept zum Umgang mit den Touristen (tatsächlich ist nicht einmal deren Zahl bekannt, sie schwankt meist zwischen zwanzig und dreißig Millionen); es wurde bemängelt, dass der Erhalt des Kulturdenkmals Venedig gegenwärtig in den Händen von 21 Behörden mit meist undeutlich abgegrenzten Kompetenzen liegt, und so ging es noch lange fort. Im Herbst 2015 schickte die Unesco eine Kommission nach Venedig, die sich nach den Fortschritten erkundigen sollte, die Venedig bei der Bewältigung der Mängel gemacht habe. Sie zog unverrichteter Dinge wieder ab. Eigentlich hätte die Unesco deswegen im vergangenen Sommer die Stadt auf die Liste der "gefährdeten" Kulturgüter setzen müssen. Die Frist wurde indessen, nach etlichen diplomatischen Initiativen, bis zum Juli dieses Jahres verlängert.

Nun sind erste Ansätze zu erkennen, wie man in Venedig mit der Drohung der Unesco umzugehen gedenkt: Die Kreuzfahrtschiffe sollen nicht mehr durch die Stadt fahren, sondern in einem bislang hauptsächlich von Frachtschiffen genutzten Kanal durch den südlichen Teil der Lagune bis nach Mestre dampfen, um von dort dann entlang der Brücke zu ihrem Terminal zu gelangen. Eine solche Maßnahme würde zwar das groteske Schauspiel der Riesenschiffe in historischer Umgebung unterbinden, aber es würde neue ökologische Probleme für die Lagune schaffen. Die Kommune will einen Erlass verabschieden, der die Umwidmung von Wohnraum in Einrichtungen des Tourismus strenger regeln soll. (Aber was geschieht mit den Wohnungen, die schwarz vermietet werden?) Die Stadt richtete sogar einen Ausschuss ein, der sich Maßnahmen zur Regulierung der Touristenströme überlegen soll (allerdings anders als von der Unesco verlangt, ohne Beteiligung der einheimischen Bürgerinitiativen). Viel ist das noch nicht. Aber die Unesco tagt ja erst im Juli.

© SZ vom 22.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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