Schauplatz Stockholm:Wehrhafte Viertonner

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Betonlöwen sollen die Stockholmer Innenstadt vor terroristischen Attacken mit Lastwagen schützen. Vier Tonnen soll jeder schwer sein. Die Löwen sind ein schwedisches Wappentier - und sie stehen für absolute Standfestigkeit.

Von Silke Bigalke

Die schmunzelnden Löwen gehören so unverrückbar zu Stockholm, dass man sie auch als Miniatur kaufen kann, wie den Eiffelturm oder Big Ben. In Mitnehmgröße eignen sie sich als Buchstützen, die Originale aus Beton stehen draußen in der Fußgängerzone und wiegen fast eine Tonne. Ihre Aufgabe ist es, freundlich aber bestimmt daran zu erinnern, dass auf der Drottninggatan, der Königinstraße, keine Autos fahren dürfen. Sie tun das mit sphinxhafter Gelassenheit. Aber als beim Anschlag vom April 2017 ein Wagen durch die Drottninggatan raste, konnten die Löwen wenig ausrichten. Er hat sie weggefegt wie Plastikhüte und fünf Fußgänger getötet. Im Prozess gegen den Täter wird Anfang Juni das Urteil erwartet. Seit dem Anschlag stellt sich auch Stockholm wie Städte in aller Welt die Frage: Wie kann man die Menschen schützen in einer Welt, in der Fahrzeuge zu Massenmordwaffen werden.

Die Löwen sind für Stockholm zum Symbol dafür geworden, wie man sich dem Terror stellt

Stockholm ist mit seiner Antwort bei den Löwen geblieben. Allerdings bekommt das Betonrudel nun Verstärkung: Die neuen Löwen wiegen mehr als das Vierfache der alten, vier Tonnen, und sind etwa doppelt so groß. Für Kinder wird es schwieriger, auf ihnen herumzuklettern, ansonsten sehen sie aus wie immer. Die Löwen seien für die Stockholmer zum Symbol dafür geworden, wie man sich dem Terror stellt, sagt Daniel Helldén, der in der Stadtregierung für Verkehr zuständig ist - ruhig und standfest. Nach dem Anschlag hatten sich Tausende im Zentrum versammelt und Blumen mitgebracht. Damit haben sie neben den Polizeiwagen auch die Betontiere überhäuft, und zwar so, dass nur noch die Schnauzen hervorschauten. Die Löwen haben stoisch weiter gelächelt.

Die Stadt hat dann erst mal verdoppelt, 74 statt zuvor 37 der kleineren Löwen auf die Einkaufsstraße gestellt. Es gibt auch Löwenweibchen, aber die stehen meist woanders und sind ein wenig kleiner und leichter als die Männchen. Insgesamt zwanzig der neuen Riesen-Löwen, der Viertonner, sollen auf der Drottninggatan dazukommen. Sie wechseln sich ab mit den neuen, ebenfalls mehrere Tonnen schweren Blumenkübeln. Blumen und Löwen lassen gerade genug Platz, dass sich Kranken- und Einsatzwagen notfalls ganz langsam durch die Straße schlängeln könnten.

Die Idee mit den Betontieren stammt von der Insel Gotland. Das Betonwerk dort hatte Lieferschwierigkeiten, im Winter gefror das Wasser in der Fabrik, deswegen stehen erst vier der neuen Löwen im Stockholmer Zentrum. Entworfen hat sie der schwedische Künstler Anders Årfelt, der zunächst Schafe als Verkehrshindernisse für Gotland in Beton gegossen hatte. Für die Hauptstadt wählte er in den 1990er-Jahren dann den Löwen, ein schwedisches Wappentier. Ob vier Tonnen Beton einen 13 Tonnen schweren Lastwagen aufhalten können? Daniel Helldén ist sich sicher. Die Stadt und die Regierung sprächen zudem mit den schwedischen Lkw-Herstellern Scania und Volvo über Geofencing als weitere Lösung. Damit ließen sich Lastwagen automatisch stoppen wenn sie zu schnell werden oder in verbotene Straßen einbiegen. Die Löwen wären dann vor allem Dekoration.

© SZ vom 23.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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