Schauplatz Stockholm:Der Fuchs und die Angler

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Mitten im Zentrum von Stockholm erinnert Laura Fords Statue vom armen Fuchs Passanten daran, dass Wohlstand nicht selbstverständlich ist. Die Allegorie funktioniert nicht mehr, seit daneben die neue Wirklichkeit steht.

Von Silke Bigalke

Das Zentrum von Stockholm ist eine Brücke. Die Riksbron verbindet die Haupteinkaufsstraße mit der Altstadt, den Hauptbahnhof mit dem Schloss. Es ist eine Fußgängerbrücke, auf der man einen guten Blick über die Stadt hat, rechts zum roten Stadshus, dem Rathaus, mit den drei goldenen Kronen auf der Turmspitze, links zur Oper. Für die Politiker verbindet die Brücke die wichtigsten Staatsgebäude. Direkt an der Brücke liegt der Regierungssitz Rosenbad, auf der anderen Seite steht das Parlament mit seinen Säulen.

Mitten in dieser Schönheit aus Wasser, Inselchen und pastellfarbenen Prachtbauten kauert eine Figur auf dem Boden. Sie sitzt auf der Innenstadt-Seite der Brücke, hat eine Decke umgeworfen und wie eine Kapuze über den Kopf gezogen. Darunter schaut sie ernst hervor. In einer ähnlichen Haltung sitzen Menschen überall in Stockholm und betteln um Geld. Sie kommen meist aus Osteuropa, bleiben nur für ein paar Monate, leben auf der Straße oder in Zelten. Es hat in den vergangenen Monaten grausame Attacken auf sie gegeben, mit Feuer, Säure und Schusswaffen.

Die Figur vor der Riksbron ist allerdings aus Bronze und ein beliebtes Fotomotiv. Man sieht das nicht sofort, aber dann erkennt man auch, dass die Statue einen lumpensammelnden, heimatlosen Fuchs darstellt. So heißt sie auch: "hemlös räv". Die britische Bildhauerin Laura Ford hat ihn sich ausgedacht. Er soll die Stockholmer daran erinnern, dass der Wohlstand um sie herum nicht selbstverständlich ist.

An der Brüstung neben der Brücke, mit dem Rücken zum Fuchs, stehen die Angler. Es ist ein guter Platz für sie, denn unter der Brücke staut ein kleiner Damm das Wasser, und mit ihm manchmal Lachse und Brachsen. Aber die mögen die Schweden nicht so gerne, erklärt Ammal, der selbst nicht angelt, sondern den anderen dabei zuschaut und mit seinen Bekannten ein wenig auf Arabisch plaudert. Früher hat er ihnen auch ab und zu einen Lachs abgekauft. Ammal ist vor 15 Jahren aus Palästina nach Schweden gekommen, arbeitet hier als Jurist. Jetzt macht er den Reiseführer: Dort, in diesem Haus, wohne der Premierminister, dort drüben, hinter dem Parlament, das sei der Oberste Gerichtshof, und dazwischen, in dem großen Gebäude, da seien die Parteien untergebracht. Das alles hat Ammal im Sprachkurs gelernt.

Neben ihm steht Alaa, der vor fünf Jahren aus dem Irak kam, und plötzlich aufgeregt ruft und auf eine Stelle direkt unter der Brücke zeigt. Neben einem kleinen Teppich aus leeren Plastikflaschen springt ein Fisch aus dem Wasser. Alaa wirft seine Angel neu aus. Doch der Fisch scheint schon wieder verschwunden zu sein. In Stockholm sei es gar nicht so leicht für Leute wie ihn und Ammal, sagt Alaa nach einer Weile. Man stehe immer ein wenig abseits, sei nicht Teil des Bildes.

Plötzlich aber sind die Angler Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Einer der Männer, eine Lette, hat etwas gefangen. Er steigt über die Brüstung und eine Leiter zum Wasser hinunter, um den Fisch dort vorsichtig an Land zu ziehen. Es ist ein großer Lachs. Als der Angler die Leiter mit ihm hinauf steigt, sind die Touristen von der Brücke neugierig zu ihm herüber gelaufen. Für kurze Zeit sind Mann und Fisch das beliebteste Fotomotiv im Zentrum von Stockholm.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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