Schauplatz Paris:Auf den Punkt gebracht

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Paris ist sprachlich zerstritten darüber, wie man die französische Sprache entmännlichen, Männer-Substantive weiblich machen sollte: Madame la professeure!? Ein neuer Vorschlag bringt die Sache auf den medialen Punkt.

Von Joseph Hanimann

Die deutsche Sprache ist um das kleine Partikel "-in", mit dem aus fast jedem männlichen ein weibliches Substantiv wird, zu beneiden. So sehen es jedenfalls manche Franzosen. Und noch mehr Französinnen. Wie nennt man eine Professorin? Professeuse? Oder Madame la Professeure mit stummem "e"? Gerade wird im Land wieder heftig gestritten, wie stark die französische Sprache männlich bestimmt sei. In der von der Grammatik verlangten Angleichung der Partizipialform ans Subjekt ist dies tatsächlich der Fall: Wenn zwölf Damen und ein Herr spazieren gegangen sind, sind sie "allés se promener", in der männlichen Form. Erst wenn der Herr wegbleibt, bekommt die Gruppe das weibliche "e" im Partizip "allées".

Vor zwei Jahren gab der dem Premierminister unterstellte Rat für Geschlechtergleichstellung ein Handbuch zum "öffentlichen Sprachgebrauch ohne Geschlechtsstereotypen" heraus, das in den Ämtern mehr oder weniger beflissen angewandt wurde. Seitdem nun aber auch ein bedeutender Schulbuchverlag die Empfehlungen umgesetzt hat, tobt der Krieg zwischen Gegnern und Befürwortern. Hauptgegenstand des Streits ist die im Handbuch verlangte "inklusive Schreibweise" (écriture inclusive), durch welche die französische Sprache "entmännlicht" werden soll. Sie besteht aus einem Verfahren, jeweils beide Geschlechtsvarianten eines Worts zum Ausdruck zu bringen, wie in der deutschen Schreibung von "LehrerInnen" oder "SchülerInnen". Im Französischen geschieht das durch die Einführung eines "medianen Punkts" in den Wörtern, in der Zeilenmitte: "professeurˑe", "étudiantˑe", "rédacteurˑrice", oder in der Pluralform "professeurˑeˑs", "étudiantˑeˑs", "rédacteurˑriceˑs".

Was denn noch, protestieren die Gegner: Will man aus dem Französischen einen unlesbaren Formelkauderwelsch machen? Beim lauten Lesen klängen diese Wortfetzen entweder abstrus oder sie seien unhörbar wie bei "amiˑe", denn das weibliche "e" bleibt laut französischer Phonetik nun mal stumm. Die Académie Française sieht die französische Sprache in höchster Gefahr, denn, so ihre Stellungnahme, mit solchen klein gehackten Sprachungetümen habe sie in der Welt keine Chancen mehr.

Unsere modernen Gesellschaften erfinden Scheinprobleme, meint das Akademiemitglied Marc Lambron: Die Engländer mit dem Brexit, die Katalanen mit ihrer Unabhängigkeit, die Franzosen nun mit ihrem Spleen einer "inklusiven Rechtschreibung". Keineswegs, erwidern die Befürworterinnen. Diesen "medianen Punkt" zwischen den Worten habe es in mittelalterlichen Handschriften auch schon gegeben, und die heutige Computertastatur sehe ihn ebenfalls vor. Er sei ein gutes Mittel, das Weibliche in der Sprache sichtbar zu machen.

Es gibt dennoch eine Menge Frauen und Männer, die an der Notwendigkeit einer solchen Neuerung zweifeln. Manches ist in den vergangenen Jahren schon geschehen. Die Anrede "Madame la ministre", um welche die Ministerinnen vor nicht langer Zeit noch kämpfen mussten, ist in den Sprachgebrauch eingegangen. Ein Parlamentsabgeordneter wurde 2014 förmlich verwarnt, weil er die Vorsitzende hartnäckig als "Madame le président" ansprach. Ergiebiger als eine komplizierte sprachliche Geschlechtergleichstellung nach Punkten wäre vielleicht, alles einfach ins Neutrum zu setzen. Doch kommt dieses zum Glück in der französischen Grammatik nicht vor.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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