Schauplatz Madrid:Unheilig sei dein Name

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Jesus und Josef auf dem Rückzug: Bei den aktuell beliebtesten Vornamen im katholischen Spanien spielen die Heiligen kaum noch eine Rolle.

Von Thomas Urban

Jesus und Josef sind klar auf dem Rückzug, nur Maria hält sich tapfer und souverän. Das ist der Stand der Dinge in Madrid, aber auch in ganz Spanien. So hat es jetzt die Instanz vermeldet, bei der in der Hauptstadt alle Daten über die Vermessung des Landes und der Gesellschaft zusammenlaufen: der Oberste Rat für wissenschaftliche Forschung (CSIS).

Er stellte die Zahlen für die beliebtesten Vornamen in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts vor. Bei den Jungen nehmen die ersten fünf Plätze ein: Alejandro, Daniel, Pablo, David und Adrián. Die Wissenschaftler sagen über diese Liste, sie spiegle exakt wider, wie sehr sich die katholische Kirche in Spanien auf dem Rückzug befinde, denn nur noch einer der Namen steht für einen christlichen Heiligen: Pablo, der Apostel Paulus.

Vor einem halben Jahrhundert, als die katholische Kirche tragende Säule im Regime des bigotten Diktators Francisco Franco war, sah die Liste ganz anders aus: Antonio, Manuel, José, Francisco, José Manuel, vier der fünf Namenspatrone waren christliche Heilige, bei Position vier hatte der eine oder andere wohl auch den Staatschef als heimlichen Paten im Blick.

Bei den Mädchen ist das Bild widersprüchlich, denn in der aktuellen Liste führt María, gefolgt von vier Vornamen, die auch international groß Karriere gemacht haben, sowohl in allen romanischen Ländern als auch nördlich der Alpen: Lucía, Paula, Laura, Marta. Vor einem halben Jahrhundert aber waren die Favoriten durchweg Doppelnamen zu Ehren der Heiligen Jungfrau, deren Ebenbild sich schmuckbehangen in jeder Kirche findet und an Marientagen in Prozessionen herumgetragen wird: María Carmen, Ana María, María Dolores, María Pilar und María José. Katholischer geht es kaum noch.

Heute aber sind nur noch drei Viertel der Spanier wenigstens auf dem Papier katholisch, regelmäßig in die Kirche gehen ganze zwölf Prozent und jeden Sonntag gar nur ein mageres Prozent. Die Fremdenverkehrsämter vermarkten längst die Semana Santa, die Karwoche, als Touristen-Event, nicht als Zeit der inneren Einkehr und des Fastens, sondern als die des Spektakels und der kulinarischen Genüsse. So ist es auch nicht erstaunlich, dass zwei männliche Vornamen, die sich über Generationen sehr häufig in allen Taufbüchern fanden, die großen Verlierer in der aktuellen Madrider Statistik sind, kaum jemand möchte heute noch seine Söhne so nennen: Ángel (Engel) und Jesús.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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