Schauplatz Berlin:Weltstadt im Schloss

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Der Regierende Bürgermeister Müller will plötzlich im künftigen Humboldt-Forum eine Ausstellung zeigen: War das abgesprochen? Gibt es ein Konzept? Nützt der Einfall Berlin? Dreimal lautet die Antwort: Nein.

Von Jens Bisky

Der Berliner wird von Wohlfühlbegriffen heimgesucht. Man schlägt ihm "Weltstadt" und "Metropole" um die Ohren, bis er vergessen hat, dass er Bürger eines Gemeinwesens ist, eines Bundeslandes. Die Beschwörungsformel vom "ewigen Werden" und das Zauberwort "Wandel" lassen die Wirklichkeit vollends unter Nebeln verschwinden, Berlin wird zum Traumbild, das gut informierten Kreisen zufolge irgendwo neben Charlottenburg, Schöneberg, Marzahn existieren muss.

Vor einigen Tagen äußerte der Regierende Kulturbürgermeister Michael Müller die Idee, das Traumbild im Berliner Schloss auszustellen, das dank eines klugen Baumanagements nicht dazu verdammt ist, immerfort zu werden und nie zu sein. Pünktlich und ohne überraschende Mehrausgaben wird im Juni Richtfest gefeiert. 2019 soll hier das Humboldt-Forum die ersten Besucher empfangen. Humboldt-Forum hieß bislang: ethnologisches Museum und Museum für asiatische Kunst, Sammlungen der Humboldt-Universität und der Zentral- und Landesbibliothek. Das soll nun anders werden. Michael Müller will die Bibliothek nicht ins Schloss lassen, sondern dort eine Ausstellung zeigen, die den stammelnden Titel "Welt. Stadt. Berlin." trägt. Bürger, die eine Resistenz gegenüber Wohlfühlbegriffen entwickelt haben, fragen sich nun: War die Planänderung für das größte Kulturbauvorhaben der Republik mit den anderen Partnern abgesprochen? Gibt es ein durchdachtes Konzept für die Ausstellung? Nützt der Einfall dem Gemeinwesen Berlin? Dreimal lautet die Antwort: Nein.

Aller Kritik hat der Regierende Bürgermeister entgegengehalten, dass sein Ausstellungseinfall den Baufortschritt nicht hemmen werde. Wenn das im Jahr fünf des Wartens auf die BER-Eröffnung einmal geglaubt werden soll, dann folgt daraus, dass die für die Bibliothek geplanten Räume nun zu Show-Zwecken genutzt werden, dass die Raumlufttechnik nicht umgeplant werden muss. Das begrenzt die inszenatorischen Möglichkeiten, mit einer Art Messearchitektur im Inneren wird man sich begnügen müssen. Wer das von der Senatskulturverwaltung verfasste Konzept studiert, wünscht sich rasch mehr Begrenzungen. Es liest sich, als habe ein Praktikant es an einem sehr düsteren Tag im Görlitzer Park zusammengegoogelt: "Die Stadt will einen Blick ins Herz des ,Rom der Zeitgeschichte' erlauben, ein Herz, dessen Rhythmus auch heute in dem freiheitlichen Takt schlägt, den die Humboldts vorgegeben haben." Das soll 4000 Quadratmeter füllen!

Wie so oft, wenn von "Welt. Stadt." die Rede ist, haben städtische Einrichtungen das Nachsehen. Die jahrelange Arbeit der Landesbibliothek an ihrem Auftritt "Welt der Sprachen" - vergeblich; das quicklebendige Stadtmuseum, politisch vernachlässigt, seit der Umzug in ein neues Domizil scheiterte, bekommt Konkurrenz; dass die Stadt ein launenhafter Partner sei, hört man nun wieder öfter. An autosuggestiven "Weltstadt"-Rufen hat der Berliner noch immer seine Besucher aus tiefer Provinz erkannt.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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