Schauplatz Berlin:So weit ist es gekommen

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Die CDU lädt zu einem kulturpolitischen Salon in den Bundestag. Für ein paar Stunden ist die Stimmung so aufgekratzt wie auf einem der ganz schlimmen Kindergeburtstage. Und dann sprach "unsere" Bundeskanzlerin.

Von Stephan Speicher

Es war die SPD, die Regierung Schröder, die den Staatsminister für Kultur erfunden hat und damit den kulturpolitischen Auftrag des Bundes. Aber erst die CDU hat das ganze politische, vor allem parteipolitische Potenzial erkannt. Die Minister der SPD, Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin, Christina Weiss, verstanden sich als Intellektuelle, die für eine Weile sich der Politik zur Verfügung stellten. Bernd Neumann von der CDU nutzte das Amt anders, professioneller. Er schaffte Geld heran, machte den Eindruck, auf parteipolitische Interventionen zu verzichten (näher betrachtet sah es, vor allem in Personalien, weniger vornehm aus) und verknüpfte den kulturellen Anspruch, den der Bund erhebt, mit dem der CDU. Und damit frischte sich die traditionell etwas muffige CDU deutlich auf - jedenfalls für ein umgrenztes Milieu. Monika Grütters, die als Person sehr viel markanter in Erscheinung tritt als ihr Vorgänger, ist auf diesem Weg ähnlich erfolgreich.

Wie erfolgreich, das konnte man beim kulturpolitischen Salon beobachten, zu dem die Unionsfraktion in den Bundestag eingeladen hatte. Zu einem solchen Termin kommen vor allem die vielen Vertreter der vielen Verbände, die etwas zu hoffen und zu fürchten haben. Das sind mehrheitlich keine geborenen Wähler der Union, und doch war die Stimmung perfekt. An den Diskussionen und Interviews kann es nicht gelegen haben. Keiner erwartet, dass auf solchen Terminen der Geist mit der Schöpfkelle ausgeteilt wird, aber die Moderationen mit ihrer Aufgekratztheit wie auf ganz schlimmen Kindergeburtstagen unterboten, was noch hinzunehmen wäre.

Aber es war ja die CDU noch da. Monika Grütters verknüpfte die Kulturpolitik mit der Integration der Migranten. Volker Kauder sprach über die wachsenden finanziellen Mittel für die Künste und fügte hinzu, er sei bekanntlich ein Gegner von Obergrenzen. Und Angela Merkel, "unsere" Bundeskanzlerin, wie es immer wieder hieß, verteidigte zwar die bekannten Anliegen der Eingeladenen, das Urheberrecht etwa. Sie nahm auch mit der Fähigkeit zur Selbstironie für sich ein: "Wir wissen, dass wir etwas zustande bringen müssen; so weit ist es gekommen" - es ging um die Künstlersozialabgabe. Aber Begeisterung - und Begeisterung war es - löste sie aus mit einem Satz wie diesem: "Eine Gesellschaft verstummt und verkrustet, wenn sie nicht in der Lage ist, ein zivilisiertes Streitgespräch zu führen." Die Versammlung jubelte, als habe sie so etwas nicht für möglich gehalten. "Unsere" Kanzlerin ist sie, darin schienen alle einer Meinung zu sein.

Das Pronomen "unser" war eines der meistgebrauchten Wörter des Abends. Das ist ein neues Bild unserer Menschen und unserer Republik. Wer hätte das von unserer CDU erwartet!

© SZ vom 10.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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