Schauplatz Berlin:Ein relativ gelungener Park

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Albert Einstein lebte lange in Berlin und hier stellte er seine Relativitätstheorie vor. Trotzdem ist er in der Stadt kaum präsent. Ein kleiner Park im Norden der Stadt versucht das zu ändern. Der Erfolg, nun ja, ist relativ.

Von Stephan Speicher

Kein Physiker, kein Naturwissenschaftler überhaupt kann es an Popularität mit Einstein aufnehmen. Vor ihm sind Newton und Maxwell, Planck oder Bohr, selbst Charles Darwin zu bloßen Bildungsgegenständen verblasst. Und das begann schon, bevor Einstein als Aktivist für den Frieden bekannt wurde. Der Physiker Abraham Pais hat die Sensation beschrieben, die sich an das Wort von der Relativitätstheorie heftete, als während der Sonnenfinsternis im Mai 1919 eine experimentelle Bestätigung der Relativitätstheorie gelang. Relativität war jetzt das Stichwort der Epoche.

In seiner Abhandlung "Das ABC der Relativitätstheorie" schrieb der Mathematiker Bertrand Russel 1925: "Es gibt eine Sorte ungemein überlegener Menschen, die gern versichern, alles sei relativ. Das ist natürlich Unsinn, denn wenn alles relativ wäre, gäbe es nichts, wozu es relativ sein könnte." Russel fährt fort, dass die Bezeichnung Relativitätstheorie "unglücklich" sei und sicher "Philosophen und ungebildete Leute verwirrt" habe. Aber es gab nun mal ein Gefühl der Umwälzung aller bekannten Dinge, man höre Cole Porters "Anything goes", ein Werk, dem es an Bildung fehlen mag, nicht aber an Witz: Die Zeiten haben sich geändert, seit die Pilgerväter auf Plymouth Rock landeten. "Stead of landing on Plymouth Rock,/ Plymouth Rock would land on them."

Und was ist nun in Berlin? Hier arbeitete Einstein von 1914 bis 1932. Hier stellte er im November 1915 in einer Sitzung der Preußischen Akademie der Wissenschaften die Allgemeine Relativitätstheorie vor. Und vermutlich wird die Postkarte mit seiner herausgestreckten Zunge hier nicht weniger gern an die Wand gezwickt als anderswo. Aber im Stadtbild ist er kaum vertreten. Am Landwehrkanal verläuft das Einsteinufer, in Pankow gibt es die noch weniger prominente Einsteinstraße und den Einstein-Park. Park ist ein großes Wort, es ist eine Grünfläche zwischen Wohnhäusern. Aber die Anlage bemüht sich mit allen lokaltypischen Kräften darum, ihrem Namensgeber gerecht zu werden.

Da ist etwa der "Einstein-Pavillon", eine Skulptur von Yvonne Kohlert: Granitpfeiler stehen in einem Sechseck, über Ihnen ein steinernes Gebälk, zwischen den Pfeilern stehende und liegende Granitsteine mit Formeln, ein kleines Stonehenge zum Ruhme der theoretischen Physik. Und wenige Schritte davon stehen "Albert & Einstein" von Anna Franziska Schwarzbach. Albert ist ein Junge mit kindlichem Gesicht, in kurzen Hosen und Schnürstiefeln. Vor ihm steht der berühmte Einstein, physiognomisch gut zu erkennen. Ist es eine Begegnung mit sich selbst, eine der Zeitverschlingungen, die mit der Relativitätstheorie so gern assoziiert wird? Als Schüler las man ja gerne von Reisenden in Zügen, die mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs waren, und welche verwirrenden Zeitverschiebungen sich ergaben, wenn die Reisenden zurückkehrten und auf Freunde trafen, die solche Reisen nicht unternommen hatten. Geht es Albert so? Oder Einstein? Aber warum sehen sie sich dann nicht prüfend, erstaunt, verwirrt, verstehend an? Der Ältere steht vor dem Jüngeren, um etwa 90 Grad gedreht, wie vorangeschritten, wenn auch nicht auf dem ursprünglichen Weg? Sehr rätselhaft. Der Wunsch, auch kleine Grünanlagen mit Kunst zu bestücken, ist in Berlin nun mal sehr ausgeprägt.

Einstein selbst hat in einem Brief wohl an Hedwig Born allerdings von den Schwierigkeiten der Kunst angesichts der modernen Naturwissenschaften gesprochen. Wieviel leichter hat es da die Paul Lincke-Grundschule an Nordrand des Parks! Auf der Fassade ein großer Violinschlüssel, in seiner unteren Krümmung ein Fußball. Alles ist gesagt.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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