RTL-Serie "Erwachsen auf Probe":Gebündelte Entrüstung

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In einer gemeinsamen Erklärung fordern 60 Verbände den Stopp der RTL-Sendung, in der Eltern ihre Babys an Jugendliche abgeben. Der Sender fühlt sich missverstanden.

Ein Dschungel-Camp für Babys? Das war von Anfang an der Vorwurf an die geplante RTL-Reihe "Erwachsen auf Probe", in der Eltern ihre kleinen Kinder vorübergehend an Jugendliche abgeben. Ein Sturm der Entrüstung ist über den Privatsender hereingebrochen, als RTL die Pläne zur neuen Sendung bekanntgab.

"Wie Gegenstände ausleihen": Diese Teenager sollen bei "Erwachsen auf Probe" Babys zur Betreuung bekommen. Der Crashkurs zum Erwachsenen-Dasein steht stark in der Kritik. (Foto: Foto: RTL)

Nun formen die Kritiker eine Allianz: In einer gemeinsamen Erklärung wenden sich insgesamt 60 Verbände, vor allem aus der Kinder- und Jugendhilfe, gegen "Erwachsen auf Probe" - darunter Pro Familia, die SOS-Kinderdörfer, der Deutsche Lehrerverband, der Deutsche Kinderschutzbund und der Deutsche Hausfrauenbund. Sie fordern RTL auf, die Serie zu stoppen. Unter dem Titel "Kinder sind keine Ware" appellieren sie außerdem an die zuständigen Jugendämter, notfalls einzuschreiten.

"Öffentliche Zurschaustellung"

Die siebenteilige Reihe soll am 3. Juni anlaufen. Die Kommission für Jugendmedienschutz hat bereits angekündigt, die Sendung am folgenden Tag jugendschutzrechtlich zu überprüfen. Die am heutigen Freitag veröffentlichte Erklärung wurde von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung initiiert.

Darin heißt es, der "angebliche Zweck der Sendung, Jugendliche auf das Leben mit Kindern vorzubereiten, greift nach Ansicht der Fachverbände zu kurz". Kinder seien mehr als nur Stressfaktoren. Sie "wie Gegenstände auszuleihen", sei das falsche Signal.

Auch die Jugendlichen, denen die Kinder übergeben werden, "müssen selbst vor öffentlicher Zurschaustellung geschützt werden", zumal sie aus belasteten Lebensumständen kämen. "Allen Kindern drohen in der angespannten Atmosphäre des Drehortes schwere Belastungen, ­die Anwesenheit einer Alibi-Psychologin nützt da gar nichts."

RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt führt die Sorge um die Kinder unter anderem auf eine missverständliche Ankündigung ihres Senders zurück und erklärte: "Wir haben vollstes Verständnis für die Sorge, die aufgrund der misszuverstehenden RTL-Pressemitteilung entstanden ist: dass Kinder mehrere Tage der Obhut ihrer Eltern entrissen werden. Doch diese Sorge können wir zu 100 Prozent entkräften, dies war nicht der Fall. Die Mütter waren fester Bestandteil des Produktionsablaufs und die ganze Zeit in unmittelbarer Reichweite ihrer Kinder."

Der Fernsehzuschauer entscheidet

Unterdessen forderte das Landesjugendamt Rheinland neue gesetzliche Regelungen für das Mitwirken von Babys in Fernsehproduktionen. Die geltenden Vorschriften bezögen sich lediglich auf Filmaufnahmen, bei denen Kinder über drei Jahren im Sinne von Arbeitnehmern tätig würden. Die Beteiligung von Kleinstkindern und Säuglingen in Reality-TV-Formaten sei nur "völlig unzureichend" geregelt, kritisierte das Landesjugendamt in Köln.

Das Kolpingwerk Deutschland wies darauf hin, dass die TV-Zuschauer es selbst in der Hand hätten, bei "Erwachsen auf Probe" den Fernseher auszuschalten und damit auch über die Zukunft solcher Sendungen mitzubestimmen: "Wenn der Verbraucher solche Formate durchs Raster fallen lässt und nicht einschaltet, werden sie auch nicht mehr von den Fernsehsendern entwickelt."

© sueddeutsche.de/dpa/ojo/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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