Roman:Komik der Giftschlangen

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Drehbuchaffin: Richard Russo, der mit Büchern wie "Diese alte Sehnsucht" sein Talent bewiesen hat, hat den Roman "Ein Mann der Tat" vorgelegt.

Von Ulrich Baron

Etwas ist faul im Städtchen North Bath, New York. Während der Nachbarort Schuyler Springs auf geradezu unverschämte Weise prosperiert, sind hier mit den Heil- auch die größten Einkommensquellen schon vor Jahren versiegt. Das Projekt eines Freizeitparks entwickelt sich desaströs, und dem schlammigen Untergrund der Stadt entweichen mephitische Dünste unklarer Herkunft. Der so nichtsnutzige wie gewalttätige Schwiegersohn der Kneipenwirtin Ruth ist wieder einmal auf freiem Fuß, während Polizeichef Raymer in einem chronischen und möglicherweise angeborenen Formtief steckt.

Bei der Beerdigung seines alten Feindes Richter Barton Flatt fällt er in dessen offenes Grab und verliert dabei jene Fernbedienung, die enthüllen könnte, mit wem ihn seine tödlich verunglückte Frau Becka zu Lebzeiten betrogen hat. Nimmt man noch eine Giftschlange, Unwetter, einen Erdrutsch, diverse Unfälle und drohende Gewaltverbrechen hinzu, ist für Abwechslung und Komik gesorgt.

Der 1949 in Johnstown, New York, geborene Richard Russo entstammt selbst solch einer kleinen Welt, die schon viele große Erzähler Amerikas - von Mark Twain über John Steinbeck bis Stephen King - zur Bühne ihrer Romane gemacht haben. Mit Büchern wie "Diese alte Sehnsucht" hat er sein Talent bewiesen, in dieser Tradition aktuelle und ewige Menschheitsfragen auf so tiefgründige wie unterhaltsame Weise zu behandeln. Sein neuer Roman "Ein Mann der Tat" trägt im amerikanischen Original von 2016 den weniger schmeichelnden Titel "Everybody's Fool" und knüpft damit an Russos bereits 1993 erschienenen "Nobodys Fool" an, für dessen Verfilmung er selbst das Drehbuch schrieb. Sein Roman "Empire Falls" (2001, "Diese gottverdammten Träume", 2016) bot ihm dann gleich Stoff für eine ganze TV-Miniserie, und man darf vermuten, dass Russo auch beim Fortschreiben des tragisch-komischen Alltags von North Bath schon ein Drehbuch vor Augen gehabt hat.

Hierin liegen zugleich die Stärken und die Schwächen dieses Romans begründet. Als Drehbuchautor hat Russo sein Talent zum szenischen Schreiben perfektioniert, das naturgemäß eher zum Zeigen als zum reflektierten Sagen tendiert. Als filmisch denkender und kalkulierender Autor muss er seine potenziellen Serienhelden jedoch auch ständig präsent und beschäftigt halten, und tut dies vor allem, indem er auf Situationskomik und menschliche Schwächen wie Übergewicht, Impotenz, Inkontinenz, Dummheit und Stottern setzt. Worauf auch sonst, könnte man einwenden, wo die intelligenten Kinder der Stadt, doch "allesamt weggezogen sind". Letztlich geht es in Russos menschlicher Komödie aus Amerikas Provinz gerade darum zu zeigen, dass auch scheinbar lächerliche Männer wie Polizeichef Raymer Respekt verdienen. Das gelingt einem Steinbeck in jedem Band seiner "Cannery Row"-Trilogie und einem Castle Freeman in "Männer mit Erfahrung" freilich auf wesentlich weniger Seiten, und deren Gestalten wirken dabei auch weniger vorgeführt. Doch kann man nach Blicken auf Preise und Seitenzahlen ruhigen Gewissens sagen, dass man bei Richard Russo mehr Unterhaltung fürs Geld bekommt.

Richard Russo: Ein Mann der Tat. Aus dem Englischen von Monika Köpfer. DuMont Verlag, Köln 2017. 688 Seiten, 26 Euro. E-Book 19,99 Euro.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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