Robert Trujillo:"Er veränderte meine Welt"

Lesezeit: 4 min

Der Bassist von "Metallica" hat einen Film über eine Legende des Jazz-Rock produziert. "Jaco" ist ein leidenschaftlicher Musikfilm.

Interview von Oliver Hochkeppel

Seit 2003 ist Robert Trujillo der Bassist der Metalband Metallica. Doch der Kalifornier ist nicht seit jeher dem ganz schweren Rock verbunden. Als Kind lernte er von seinem Vater Flamenco-Gitarre, als Bassist begann er mit Funk, was man seinen frühen Engagements bei den Hardcore-Bands Suicidal Tendencies, Infectious Groove oder Black Label Society noch sehen kann. Eines seiner Idole ist der Jazzrock-Pionier Jaco Pastorius. Dessen musikalisch geniales, persönlich tragisches, von einer bipolaren Störung, Drogen und einigen Skandalen geprägtes Leben erzählt nun der Dokumentarfilm Jaco. Trujillo hat ihn produziert und zu wesentlichen Teilen finanziert.

Sie haben Jaco das erste Mal 1979 in einem Konzert gesehen. War das Zufall?

Es gab diese Bühne in Santa Monica, direkt neben meinem Viertel. Und direkt am Strand. Es war also leicht für mich, viele Bands zu sehen, man konnte mit dem Rad oder dem Skateboard hinfahren. Ich sah eine Menge tolle Leute da, Ronnie James Dio, The Pretenders, John McLaughlin. Mit Suicide Tendencies spielten wir dort später selbst, das war ein wahrgewordener Traum. Nun traten also Weather Report da auf, und ich hatte schon vorher von diesem mysteriösen Bassisten gehört, den jeder mit Stanley Clarke verglich.

Spielten Sie da schon selbst Bass?

Nein, aber ich liebte Bass. Als ich damals Jaco und mit ihm Fusion entdeckte, war das vor allem deshalb aufregend, weil bei ihm der Bass zum Haupt- und Soloinstrument wurde. Jaco änderte meine Welt, weil ich das erste Mal sah, wie dieses Instrument eine Persönlichkeit annahm. Außerdem erinnerte er mich an meine Freunde, die Surfer und Skater aus meiner Nachbarschaft.

Sie fühlten sich ihm verbunden?

Ja, er war auch mit dem Ozean aufgewachsen, in Florida. Wenn du ihn leibhaftig gesehen hast, war das, wie Jimi Hendrix zu sehen - nur dass du dich ihm näher fühltest.

Wie ging das weiter?

Ich sah danach mehrere Konzerte mit ihm. Und dann begegnete ich ihm bei der Los Angeles Guitar Show. Die fand in einem Hotel statt, jede Firma hatte da einen eigenen Raum. Plötzlich hörte man diesen Lärm, der die Wände zum Wackeln brachte. Ich ging quer durch die Halle zu dem Raum, wo der Krach herkam, und da saß er. Spielte eine Bass-Nummer, mit einem Rapper. Ich konnte es kaum glauben. Nach und nach füllte sich der Raum, jeder wollte sehen, was da vor sich ging.

Dieser Mann war eine Offenbarung: Jaco konnte sein Instrument auf eine Weise spielen, dass es eine Persönlichkeit annahm. (Foto: Filmfest München)

Haben Sie mit ihm gesprochen?

Hätte ich können, aber ich tat es nicht. Es gab damals schon eine Menge Gerüchte über ihn. Er war in keinem guten Zustand, sehr ernst, mit ganz wilden Augen. Seine Freundin kam herein, ein sehr hübsches Surfer-Mädchen, mit ein paar Bierdosen und sagte: "Los, Jaco, lass uns gehen." Da schaute er noch mal zu den Leuten, mit einem Blick à la: "Ich habe vielleicht Probleme, aber euch könnte ich immer noch in den Arsch treten." Und weg war er. Heute würde ich ihn zum Essen oder auf ein Bier einladen, damals war ich zu schüchtern.

Trotzdem hat Sie Jaco Pastorius Ihr weiteres Leben lang beschäftigt?

Jacos Sohn Johnny und ich wurden 1996 Freunde. Ich habe ihm damals schon gesagt, eines Tages müsse er einen Film über seinen Vater machen. Wenn ich ihn traf, sagte er immer wieder, bald würde er daran gehen, alle zwei Jahre dieselbe Leier. Irgendwann dachte ich mir: Okay, wenn das passieren soll, muss ich selbst etwas tun. Jedem ernsthaften Filmprojekt, speziell beim Dokumentarfilm, muss ein "Commitment" vorausgehen, ein tiefes Engagement. Das hat natürlich auch mit der Finanzierung zu tun.

Sind Musik-Dokumentationen denn besonders teuer?

Ja, vor allem wegen der Rechte. Wenn man Songs von Weather Report oder Miles Davis verwenden will, ist das sehr schwierig, selbst dann, wenn man über gute Kontakte verfügt. Und wirklich teuer ist altes Filmmaterial. Ausschnitte vom Montreal Jazz Festival oder von Joni Mitchell im kanadischen Fernsehen - dafür muss man viel Geld bezahlen.

Deshalb haben Sie dann wohl auch Crowdfunding betrieben?

Ja, wir haben eine Pledge-Kampagne gestartet. Viele Leute denken: "Ach, dieser Trujillo ist in einer der berühmtesten Bands, der kann so einen Film machen." In Wahrheit habe ich eine Frau, zwei Kinder und Rechnungen wie jeder, und ich war noch nicht beim "Black Album" in der Band dabei. Ich habe lediglich ein Metallica-Album mitgemacht, keine 15. Aber ich bin von der Leidenschaft für diese Geschichte getrieben, Jacos Familie sind meine Freunde, und ich habe ein großartiges Filmteam mit dem wunderbaren Paul Marchand als Regisseur.

Robert Trujillo ist Bassist der Metalband "Metallica". (Foto: privat)

Mit "Passion Film" haben Sie auch eine erfahrene Produktionsfirma.

Ja, sie kamen nach einem Monat dazu. Sie haben wirklich herausragende Dokumentationen gemacht, Once in a Lifetime über Pele, Searching for Sugarman oder die Dokumentation über die Olympischen Spiele von München, beides Oscar-prämiert. Als sie eingestiegen sind, habe ich entschieden: Gut, ich investiere in die Sache, und wir ziehen das durch.

Warum hat es dann fünf Jahre gedauert?

Bei einem Film wie diesem gibt es keinen Ablaufplan. Wir mussten uns auf eine abenteuerliche Reise durch dieses Leben einlassen, uns mit Jacos Freunden treffen, seine Verwandten und Musiker aus der ganzen Welt kontaktieren. Jedes Jahr tauchte dann ein neuer Schatz auf. Nach einem Jahr dachten wir, es wäre geschafft, als neue Fotografien entdeckt wurden. Später tauchte Joni Mitchell auf und wurde ein Teil des Films. Dann die Audio-Bänder von Konrad Silver vom Downbeat Magazine mit vielen Stunden Interviews mit Jaco. Nun erzählt er auch selbst seine Geschichte. All das hat den Schnitt jeweils total verändert.

Ist es jetzt geschafft?

Wir haben einen Film. Wir sind stolz darauf. Die Realität ist: Wir haben insgesamt neun Stunden, aber das ist der erste fertige Schritt für die Festivals. Es wird noch einer für die Kinofassung folgen.

Es ist nicht nur ein Film über Jaco Pastorius geworden, sondern auch über eine ganze Epoche der Musikgeschichte.

Ja, ich wuchs in dieser Zeit der Jazzrock-Bewegung auf, mit Weather Report, Joni Mitchell, Al Di Meola. Die Ära dieser in den vergangenen 20 Jahren etwas vergessenen Musik mit einem Film wieder ein bisschen zum Leben zu erwecken, diese Tür wieder zu öffnen, das ist großartig. Es ist wie die Erschaffung einer Zeitkapsel.

Jaco , Donnerstag, 2. Juli, 20 Uhr, und Freitag, 3. Juli, 17.30 Uhr, City, Sonnenstr. 12

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: