Porträt:Flucht ins Dolce Vita

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"Der Prinz und der Dybbuk" porträtiert Filmproduzent Michał Waszyński, der sich im Rom der Fünfziger eine Scheinexistenz aufbaute.

Von Philipp Stadelmaier

In den Tagebüchern des Hollywoodregisseurs Joseph L. Mankiewicz ("Cleopatra") gibt es einen Eintrag, in dem er einen Tag in Italien beschreibt, irgendwann in den Fünfzigern. Mit Freunden nahm er morgens in San Remo den Cadillac und fuhr bei herrlichem Wetter die Riviera entlang, bis ins malerische Portofino. Mit dabei: der Produzent Michał Waszyński. Dessen Geschichte erzählt der Dokumentarfilm "Der Prinz und der Dybbuk". Sie spielt in der Epoche, die Federico Fellini in "La dolce vita" verewigt hat: Auf der Via Veneto in Rom glitzern die Luxuskarossen, die Stars lächeln in die Kameras der Paparazzi.

Michał Waszyński (1904 - 1965) passte da gut ins Bild. Der Mann war ein polnischer Adliger. Behauptete er zumindest. Und dennoch müssen die alten Bekannten des Produzenten zugeben, dass sie eigentlich recht wenig von ihm wussten, während sie vor der Kamera für die Regisseure Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski von ihm erzählen. Die Doku zeigt neben Interviews auch Filmausschnitte und Wochenschaumaterial von früher und zeichnet so das Bild einer Figur, die im Rampenlicht stand und dennoch opak blieb. Waszyński liebte die Öffentlichkeit und umgab sich mit Stars wie Audrey Hepburn, Sophia Loren und Ava Gardner. Aber dann, so erzählt sein alter Chauffeur, zog er sich immer wieder tagelang in sein Apartment zurück. Was war sein Geheimnis?

Michał Waszyński (rechts) mit James Mason und Sophia Loren. (Foto: Edition Salzgeber)

Die Filmemacher machen sich auf die Suche. Sie folgen seiner Spur in die Ukraine, ins Städtchen Kowel. Hier wurde Waszyński 1904 geboren, unter dem Namen Moshe Waks, in einfachen Verhältnissen. Später ging er nach Warschau und begann unter dem Namen Michał Waszyński Filme zu machen. Das Kino war für ihn eine Traumregion, ein Medium zur Weltflucht. Irgendwann dreht er "Der Dybbuk", ein mystisches Drama um unerfüllte Liebe und Geister in jiddischer Sprache. Ein Dybbuk, das ist der böse Geist eines Toten, der von einem Lebenden Besitz ergreift. Vom "Dybbuk"-Film wird Joseph Goebbels später sagen, er beweise, dass die "jüdische Rasse mit Stumpf und Stil auszurotten sei".

Nach dem Einmarsch der Deutschen floh Waszyński in die Sowjetunion, schloss sich der Roten Armee an und befreite mit den Amerikanern Italien, wo er nach dem Krieg seine jüdische Herkunft hinter sich lassen wollte und sich als Adeliger ausgab. Er lebte er auf großem Fuß, produziert große Filme. Ein Märchenprinz in einer Traumwelt. "Es tut gut, nicht zu wissen, wer ich bin", notierte er irgendwann in seinem Tagebuch. Tagsüber war er Prinz und Produzent - aber nachts kamen die Geister seiner jüdischen Herkunft zurück.

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Der Prinz und der Dybbuk , Polen / D 2017 - Regie, Buch: Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski. Edition Salzgeber, 82 Minuten.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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