Pop:Vergangenheit als Herausforderung

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Sänger und Komponist: Alexander Veljanov (links) zusammen mit Ernst Horn. (Foto: Veranstalter)

"Deine Lakaien" blicken auf eine über 30-jährige Geschichte zurück. Für ihr Konzert haben sich Ernst Horn und Alexander Veljanov Gäste in den Herkulessaal eingeladen

Von Jürgen Moises

Wir leben in einem Zeitalter des Pop, das völlig verrückt nach "Retro" und ständiger Erinnerung ist. So beschreibt Simon Reynolds in seinem Buch "Retromania" den Zustand der Popkultur und meint damit die unzähligen Wiedervereinigungen, Reunion- und Jubiläums-Touren von Bands oder die Wiederveröffentlichung von "Klassikern". Für viele Fans ist das eine feine Sache, was der Journalist als Stillstand beklagt. Und für den Musiker? Für den kann, wie man von Ernst Horn von der Band Deine Lakaien erfährt, das Herauskramen der eigenen Vergangenheit durchaus zur Qual werden. Aber das nicht weil Horn, der am Samstagabend im Herkulessaal zusammen mit Alexander Veljanov und Gästen 30 Jahre Deine Lakaien feiert, die alten Stücke nicht mehr hören will. Sondern weil 30 Jahre elektronische Musik bedeuten, "30 Jahre lang ständig in ein neues Format zu konvertieren. Das macht einen echt narrisch."

Für das 2016 erschienene Jubiläumsalbum "XXX. The 30 Years Retrospective" musste Horn nämlich alte Bänder und Dateien zum Laufen kriegen, die teilweise noch vom Commodore 64 stammen, danach auf den Atari portiert wurden und so weiter. Reicht die Geschichte von Deine Lakaien doch bis zu den Anfängen des Home-Recording zurück, der ersten Home-Computer und der ersten privat erschwinglichen 4- oder 8-Spur-Aufnahmegeräte. Musikalisch war das die Zeit von Wave, Punk und Gothic. Alles zusammen bewirkte 1985 die Initialzündung für Deine Lakaien und ihren oft düsteren Elektro-Wave, die laut Legende die Form einer Zeitungsannonce annahm: "Suche experimentierfreudigen Sänger."

Ernst Horn war damals bereits über 30, hatte ein Klavier-, Dirigier- und Schlagzeug-Studium an den Musikhochschulen in München, Freiburg und Hamburg hinter sich und eine Laufbahn als Theater-Pianist und -Komponist und als Kapellmeister in Karlsruhe, Oldenburg und München. Alexander Veljanov studierte, als er Horns Annonce las, noch Theater- und Filmwissenschaften in München, war rund 16 Jahre jünger und in der Gothic-Szene aktiv. Warum Horn, der nach vielen Jahren in seinem Geburtsort Gräfelfing seit kurzem in München-Sendling wohnt, als Kapellmeister zum Wave kam? Weil Wave und Punk die erste Popmusik war, die ihn nach den Beatles, Hendrix, Cream und Pink Floyd in den 1960ern "mal wieder richtig angepackt" hat.

Nach einem "Knatsch" am Theater legte Horn den Dirigierstab weg, um endlich das zu machen, was ihm schon seit Jahren vorschwebte: eigene Musik zu komponieren. Die Folge war 1986 das selbstproduzierte Debütalbum von Deine Lakaien in einer Auflage von 500 Stück. Die danach aufgenommene "Silberne Kassette", die erst 2003 unter dem Titel "1987" als Album erschien, brachte ihnen als erster europäischer Band einen Plattenvertrag beim Münchner Label Gymnastic Records ein. Es folgten "Dark Star", "Forest Enter Exit" und sieben weitere Alben, auf denen Horn und Veljanov teilweise mit Gastmusikern die Grenzen von Wave und Gothic immer wieder neu ausloteten: mal in Richtung Mittelalter oder Madrigal, mal in Richtung Rock oder Neue Musik. Auch auf der Bühne neigen Deine Lakaien zum Experiment. 1995 gibt es die erste "Acoustic"-Tour mit präpariertem Klavier, später folgen Tourneen mit Orchester.

Ausgangspunkt für alle Deine-Lakaien-Kompositionen war, so Horn, von Beginn an Veljanovs samtiger Bariton. Seine davon abweichenden Interessen hat Horn mit Theater- und Hörspielkompositionen und mit seinen Mittelalter-Projekten Qntal und Helium Vola auf seinem Münchner Label Chrome Records realisiert. Von Helium Vola wird es auch Stücke beim Jubiläumskonzert geben, genauso von Veljanovs Soloprojekt. Als begleitende Musiker sind drei Streicher, ein Gitarrist, ein Keyboarder, ein Schlagzeuger und die Helium-Vola-Sängerin Sabine Lutzenberger mit auf der Bühne, Ernst Horn wird an seinem eigenen Flügel und am Computer zu erleben sein. Und für den Fall, dass es dort auch "ein Geschiss" mit der Technik gibt, lässt er zur Sicherheit ein Backup-System mitlaufen.

Deine Lakaien, Samstag, 21. November, 19 Uhr, Herkulessaal, Residenzstr. 1

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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