Pop:Soundvisionen in Sapporo

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Reisen inspiriert zu neuen Tönen: Die Münchner Formation "Beißpony" lädt mit der Japanerin Aoi Swimming zum Public Recording in die Import/Export-Kantine

Von Martin Pfnür

Als die ebenso umtriebige wie multitalentierte Formation Beißpony 2014 im Rahmen des interdisziplinären Feniks-Festivals in Antwerpen auf den japanischen Videokünstler Mikio Saito traf, ergab das eine wunderbare künstlerische Kettenreaktion, die noch lange nicht an ihrem Ende angekommen ist. Man schätzte sich, tauschte sich aus, und dann war da dieses Angebot Saitos. Er plane gerade eine Ausstellung in seiner Heimatstadt Sapporo auf Hokkaido, ob Beißpony da nicht etwas beisteuern wollten? Oder noch besser: Ob sie denn nicht mal nach Sapporo kommen wollten, um die dortige Künstlerszene kennenzulernen?

Beißpony, das sollte man an dieser Stelle wohl erwähnen, waren seit ihrer Gründung 2006 stets weit mehr als nur eine Band. Dafür passiert einfach viel zu viel, wenn Stephanie Müller und Laura Theis auf die Bühne steigen, dafür ist ihr künstlerischer Ansatz einfach zu verschroben, durchgeknallt, unterhaltsam, inspirierend. "Halb Band, halb Performance-Duo. Halb Geschichten, halb Geräusche. Halb charmant, halb dilettantisch. Halb Songwriting, halb Improvisation." So fassen sie ihr Schaffen selbst. Das kommt ganz gut hin. Denn was den Sound von Beißpony ausmacht, ist gerade diese Spannung zwischen den Songwriting-Strukturen, die Laura Theis am Keyboard schafft, und dem anarchisch-dissonanten Moment, das Stephanie Müller einbringt, wenn sie mit Näh- und Schreibmaschinen, Regenschirmen, Spielzeugpistolen und allerlei anderen ungewöhnlichen Geräuscherzeugern für Reibung im Gehörgang sorgt oder - als Textilkünstlerin, die sie ebenfalls ist - mit improvisierten Modeschauen auf der Bühne überrascht. Und dann ist da ja auch noch diese visuelle Ebene, die uns zurück zur Ausstellung in Sapporo führt. Denn mit dem Maler, Zeichner, Fotografen Klaus Erich Dietl haben Beißpony, die sich heute eher als Kollektiv denn als Band verstehen, Verstärkung bekommen. Dietl ist der Mann fürs Artwork, für die Videos, für den Sound. Für das Beißpony-Debüt "Brush your Teeth" hat er etwa eigens für jeden Song des Albums eine Malerei angefertigt.

Ebendieses Material plus Musik plus Videos schickten Beißpony nach Sapporo; Stephanie Müller berichtete in ihrem Blog von der dortigen Ausstellung - und gewann dadurch auch die Aufmerksamkeit des Kulturreferats. Innerhalb eines Tages war ein Austauschprogramm organisiert, im Mai flogen Müller und Dietl nach Japan, drei Wochen verbrachten sie in Sapporo. "Wir waren wirklich sehr angetan von der Offenheit, mit der man uns dort aufnahm", erzählt Stephanie Müller. "Wenn man hier in München mit einem Künstler etwas aufziehen will, muss man ja immer erst Überzeugungsarbeit leisten. Bei den Künstlern in Sapporo hieß es dagegen stets: ,Klar, lass es uns einfach versuchen!'"

Also versuchten sie es einfach. Ließen sich von Mikio Saito in den Underground, in die Do-it-Yourself-Szene einführen und trafen auf zahlreiche seelenverwandte Künstler verschiedenster Generationen, die ebenfalls auf der Kante zwischen Musik und Performance wandeln und - obwohl in unterschiedlichsten Genres beheimatet - mit spielerischer Leichtigkeit miteinander musizieren und improvisieren.

Besonders ergiebig fiel die Zusammenarbeit mit Aoi Maeda alias Aoi Swimming aus, einer Musikerin und Performerin aus Sapporo, die ihre New-Wave- und Punk-Stücke mit surrealistisch angehauchten Texten versieht und ihre Hörer dabei in Phantasiewelten entführt, die, ähnlich wie jene des Schriftstellers Haruki Murakami, nie so richtig weit weg von der Realität sind, eher in diese hineinlappen. Gleich am ersten Tag nach ihrem Kennenlernen fanden sich Stefanie Müller und Aoi Maeda im Studio wieder.

Nun, einige Monate später, ist Aoi Maeda im Rahmen des Austauschprogramms in München zu Gast und lädt zusammen mit Müller und Dietl (Laura Theis ist aufgrund eines neu begonnenen Studiums leider verhindert) zum Public Recording in die Import/Export-Kantine ein. "Es wird dort verschiedene Stationen geben", sagt Stephanie Müller. "Unter anderem eine, wo die Teilnehmer in die Musik, die wir aus Japan mitgebracht haben, reinhören können, um sich einen Eindruck zu verschaffen, und natürlich eine, wo sie mit Aoi an Sounds arbeiten können." Die Form sei indes frei wählbar - ob nun ein vertontes Gedicht, ein Hörspiel, ein Song, alles ist möglich. Und klar, allerlei schräges Instrumentarium gibt es natürlich auch. So etwa eine Skateboard-Slidegitarre, eine Nähmaschine als Percussion, japanische Kinderkeyboards, und und und. Am Ende solle aus dem Material ein Mix kreiert werden, der sich wiederum als Track auf einem japanisch-münchnerischen Kollaborations-Album finden wird, das im Dezember erscheinen soll.

Es war vor allem die Offenheit der japanischen Künstler, die sie zu diesem Projekt inspirierte, erzählt Stephanie Müller. Keiner der Teilnehmenden müsse ein Instrument beherrschen, es gehe vielmehr um den kommunikativen Aspekt, um das Miteinander, ums Experimentieren. "Wenn man die festgetreten Pfade der Kunst verlässt, Grenzen einreißt und schaut, was passiert, dann wird es doch erst richtig interessant." Do-it-together als das neue Do-it-yourself, wenn man so will.

Public Recording mit Beißpony und Aoi Swimming, Mittwoch, 16 September und Donnerstag, 17. September, 16-20 Uhr, Import/Export Kantine, Dachauer Str. 114

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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