Pop:Prädikat radiountauglich

Lesezeit: 2 min

Für den Heimat-Sound sind andere zuständig. Phi sind die Außerirdischen in Münchens Musiklandschaft. (Foto: Phi)

Die Münchner Band "Phi" fordert ihre Zuhörer mit einem Sound, der keine Kompromisse macht. Im Orangehouse stellt sie jetzt ihr erstes Album vor

Von Dirk Wagner

Ach, dass du kalt oder warm wärst! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Mund", tönt es im Neuen Testament. Die Münchner Rockband Phi folgt solcher Offenbarung und lebt eine Rockmusik, wie sie kompromissloser nicht sein kann. Das trennt auch mal die Spreu vom Weizen, den Musikinteressierten vom hingebungsvollen Rockfan. Entsprechend betrat die Band mal die Bühne im rappel-vollen Ampere, wo gerade in der Konzertreihe "Munich rocks" Münchner Bands präsentiert wurden. Schlagzeugerin Sophie Neudecker wuchtete die Beats in die Trommelfelle. Gitarrist Philipp Akrivis schredderte die Saiten. Bassist Eric Felber stimulierte die Magenwände der anwesenden Zuschauer. Und Sänger Vincent Mundinger kotzte ihnen den Text regelrecht vor die Füße. Er schrie, röchelte, fieberte. Binnen weniger Minuten flüchteten die meisten Zuschauer. "Das ist zwar nicht unbedingt meins, aber das hat was", grinste derweil der Musiker, Label-Betreiber und Musikjournalist Gerald Huber und beobachtete amüsiert, wie die Band die Zuschauer vertrieb, die der auf Hubers Label Redwinetunes vertretene Künstler Impala Ray wenige Minuten zuvor noch zu begeistern wusste.

"Das passiert schon mal, dass wir einen Laden leer spielen", lacht die Bandgründerin Sophie Neudecker. Ihren Auftritt im Märchenbazar auf dem Viehhof musste Phi vor kurzem sogar abbrechen. Solche Reaktionen bestätigen sie aber mehr als dass sie sie irritieren. Ungefähr so, wie einst Velvet Underground, die angeblich auch mal von einem Clubbetreiber gewarnt wurden, dass sie sofort aus seinen Laden fliegen würden, wenn sie noch einmal so einen Müll wie den "Black Angel's Death Song" spielen sollten. Der Legende nach eröffneten Velvet Underground prompt das zweite Set ihrer Show mit jenem verhassten Song. Phi würden garantiert genauso reagieren. Denn Phi sind warm oder kalt, aber nie lau. Mit solcher Konsequenz vertreiben sie natürlich nicht nur Musikinteressierte. Sie begeistern letztlich auch Rockfans, die in ihnen sogar eine Reinkarnation von Nick Caves erster Band The Birthday Party spüren.

Weil die jungen, durchschnittlich 22 Jahre alten Musiker aber wissen, dass ihrer Musik auf dem freien Markt wenig Platz eingeräumt wird, haben sie sich und Gleichgesinnten als Veranstalter der Konzertreihe Zombie Session im Sunny Red längst schon eine eigene Nische eingerichtet. Nur zwei Euro Eintritt kosten hier die Konzerte. Davon werden höchstens die Unkosten gedeckt. Für Gage spielt hier niemand. "Das ist eher so ein von Musiker für Musiker-Ding. Kein Kommerz. Nur Spaß an der Musik", versucht Vincent Mundinger das Konzept seiner Veranstaltungsreihe zu erklären. Immerhin tummeln sich in der Nische auch zahlreiche lokale Rocklegenden. Ben Esen zum Beispiel, einst Bassist der Münchner Crossover-Band Freaky Fukin Weirdoz. Er war später Neudeckers Schlagzeuglehrer. Oder die Münchner Punklegende Chris Void. Zsammen mit Esen wird er auch das Vorprogramm zu Phis CD-Release-Konzert im Orangehouse spielen wird. Die Band, die letzten Vatertag noch unter dem sperrigen Namen PH¡ Production (mit umgedrehten Ausrufezeichen) den Giesinger Bandwettbewerb gewonnen hatte, um dann den Hauptgewinn, einen Auftritt auf einem Festival, wegen einer schon vorher geplanten Landpartie nicht einlösen zu können, hat mittlerweile nämlich ihr erstes Album aufgenommen. Schon die Länge einiger Songs garantiert absolute Radiountauglichkeit. Für Rockfans ist das Debüt indes eine Offenbarung.

Phi mit Hifi Mama und Chris Void, Sa., 19. Dez., 21 Uhr, Orangehouse, Hansastr. 41

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: