Pop:Melancholischer Roboter

Lesezeit: 2 min

Neues von Roberto Di Gioia alias "Marsmobil"

Von Martin Pfnür, München

Jazzpianist, Produzent und Popmusiker: Roberto di Gioia, 55, ist ein Münchner Multitalent. (Foto: Florian Seidel)

Als vor einigen Wochen Roberto Di Gioias sechstes Album unter seinem Solo-Alias "Marsmobil" erschien, ging damit eine Zeit zu Ende, die man als siebenjährige "Veröffentlichungs-Durststrecke in eigener Sache" bezeichnen könnte. Denn untätig war der 55 Jahre alte Jazzpianist, Produzent und Popmusiker keineswegs, es sei nur "kein Leerlauf, kein kreativer Hunger" bei ihm aufgekommen, der ihn zurück zu seinem eigenen Projekt geführt hätte. Besieht man sich Di Gioias musikalischen Output der vergangenen Jahre, glaubt man ihm das freilich gern. Stellen doch die Produktion des neuen Albums der Berliner Soul-Sängerin Joy Denalane, eine Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg für "MTV Unplugged", ein ebenso witziges wie genre-übergreifendes Projekt mit Wigald Boning oder der raue und fulminant groovende Spiritual-Jazz, den er als Pianist mit der Formation Web Web auf dem Live-Album "Oracle" festhielt, nur einige Eckpunkte seines Schaffens dar.

"Marsmobil" sieht er indes als "eigenständiges Gebilde", als ein "System, dem er diene". Über drei Jahre seien die Stücke auf "Fairytales Of The Supersurvivor" entstanden, forciert habe er den Entstehungsprozess jedoch nicht. "Ich kann da gar nicht viel mehr machen als abzuwarten und mich unterbewusst leiten zu lassen", sagt er. "Entweder es kommt dann beim Griff in die Tasten sofort eine Idee, der ich folge. Oder es passiert gar nichts." Etwas Halbgares erst mal abzulegen, das komme für ihn nicht in Frage.

Es ist das Selbstverständnis des Jazzmusikers, das hier aus dem einstigen Pianisten von Klaus Doldingers Jazzrock-Combo Passport spricht. Ein von Spontaneität und Intuition geleiteter Zugang also, dem auch die enorme stilistische Bandbreite zu verdanken ist, die sich innerhalb des Systems "Marsmobil" ausmachen lässt. Wo Di Gioia selbiges Anfang der Nullerjahre noch als loungiges Nu-Jazz-Projekt ins Leben rief, fächerte sich die "Marsmobil"-Musik mit dem "Black Album" von 2011 in ganz andere Klänge auf. Der geschliffene Charakter kalifornischer Westcoast-Musik trifft hier ebenso auf verspulte Sixties-Psychedelik wie auf Harmonien à la Beatles. "Fairytales Of The Supersurvivor" wiederum - koproduziert vom Wiener Elektroniker Peter Kruder, der als "musikalischer Innenarchitekt" Di Gioias bis zu 70 Prozent der eingespielten Spuren wieder entfernte - wirkt vor diesem Hintergrund wie eine erneute Kehrtwende hin zum elektrifizierten Pop. Es sind wunderbar feinteilig und luftig arrangierte Stücke, über denen Di Gioias Vocoder-Stimme im Stile eines melancholischen Roboters schwebt. Gleichsam von artifizieller Synthie-Kühle und atmosphärischer Wärme geprägt, wecken sie Erinnerungen an jene wattierenden Klänge, mit denen das französische Duo Air um die Jahrtausendwende reüssierte.

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In der Glockenbachwerkstatt wird Di Gioia seine Fairytales erstmals in neuer Trio-Formation präsentieren. Um sich live "neu auszuprobieren", wie er sagt (als Support von Yeah But No). Im September geht es dann auf Tour. Eine schöne Gelegenheit also, einen großartigen Musiker im kleinen Rahmen zu erleben.

Marsmobil , Donnerstag, 15. Februar, 21 Uhr, Glockenbachwerkstatt, Blumenstraße 7

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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