Pop:Hypnotische Qualitäten

Lesezeit: 3 min

Die Anziehungskraft von Valerie Trebeljahr und ihrer Elektropop-Band "Lali Puna" ist ungebrochen. Sieben Jahre sind seit dem jüngsten Album vergangen, nun kehren die Münchner mit "Two Windows" zurück

Von Martin Pfnür

Es ist ein feiner Mix aus Selbstironie und Image-Koketterie, mit dem Valerie Trebeljahr die konzentrierte Atmosphäre unter den In-sich-Versunkenen im Import Export aufbricht. Gerade mal ein paar Songs waren beim Münchner Zusatzkonzert ihrer Band Lali Puna gespielt, als sie grinsend erzählt, dass ihr Sohn - der den Auftritt bis dahin noch mit großen Augen und noch größeren Ohrenschützern verfolgte - soeben vor der Bühne eingeschlafen sei und in den Backstage-Bereich getragen werde. Später dann, gegen Ende des Konzerts, sollte noch eine Entschuldigung dafür folgen, dass dieses nun wohl doch nicht so "punkrockmäßig" ausgefallen sei wie angekündigt. Aber das ging dann schon im Applaus unter.

Lali Puna, so viel mag sich angedeutet haben, sind bei aller elektronischer Ausrichtung eher eine Band der leisen Töne. Das war kurz vor der Jahrtausendwende so, als Valerie Trebeljahr und Markus Acher das Quartett in Weilheim gründeten und 1999 mit dem Debüt "Tridecoder" einen Sound entwarfen, der in seiner subtilen digital-analogen Melancholie ebenso exemplarisch für die musikalische Strömung des "Indietronic" steht wie die Klänge von Achers Hauptband The Notwist. Und das ist auch heute noch so, knapp 20 Jahre, vier Lali-Puna-Alben und einen internationalen Hype um den "Sound of Weilheim" später. Zumindest weitgehend.

Dabei sind es dann doch nicht eben wenige Dinge, die sich im Kosmos der Band geändert haben. Lagen zwischen den Alben "Faking the Books" - das in seiner perfekten Melange zwischen warm pulsierender Elektronik und einem trocken treibenden Bandsound noch immer etwas aus dem Katalog hervorsticht - und "Our Inventions" sechs Jahre Pause, so brauchte es für das neue Album "Two Windows" nun ganze sieben. Ein Zeitraum war das, in dem sie sich vor allem der Familie gewidmet und den Einstieg ins normale, verantwortungsvolle Leben gesucht habe, sagt Trebeljahr, die seit Jahren für den Bayerischen Rundfunk arbeitet. Ein Zeitraum aber auch, in dem es zur "privaten und musikalischen Trennung" zwischen ihr und Markus Acher kam. Schmutzige Wäsche will sie da freilich keine waschen. "Aber mir war schon klar, dass ich bis an mein Lebensende das Achersche Nebenprojekt bin, wenn er da mitmacht." Schön fürs Selbstbewusstsein sei diese öffentliche Wahrnehmung jedenfalls nicht gewesen.

Unter anderem vom Überwachungswahn handeln die neuen Songs. Mehr als zwei Jahre lang hat Valerie Trebeljahr mit ihrer Band "Lali Puna" am Album gearbeitet. (Foto: Patrick Morarescu)

Kein Wunder also, dass "Two Windows" für die Sängerin und Songschreiberin eine Art musikalischen Befreiungsschlag darstellt. War die Arbeit daran doch auch ein Kraftakt, den sie sich nach einem Aufenthalt in Südkorea abrang. Dort in ihrem Geburtsland nämlich fand die Adoptivtochter deutscher Eltern im Rahmen eines Kulturaustauschs wieder zu neuer Inspiration. "Ich wollte da schon immer mal hin", sagt sie. "Und als wir dann im Frühjahr 2015 dort auf Tour gingen und mit der koreanischen Band Trampauline zwei Stücke aufnahmen, habe ich gemerkt, dass mir das Musikmachen schon sehr fehlt."

Gut zwei Jahre brauchte es für "Two Windows", das die 43-Jährige in enger Abstimmung mit Christoph Heiß an der Elektronik und Christoph Brandner am Schlagzeug aufnahm. Das Songwriting und die künstlerische Entscheidung lagen jetzt jedoch ganz bei ihr. "Ich wollte weg von den Gitarren", sagt Trebeljahr, die bereits "Our Inventions" gern mehr Richtung Tanzfläche ausgerichtet hätte, damals aber noch am Veto ihrer Band scheiterte. "Dancefloor und Song zusammenzubringen, ist normalerweise ja eher eine Antithese", sagt sie.

Auf einen Versuch ließ man es trotzdem ankommen. Und tatsächlich erweist sich bereits das eröffnende Titelstück mit seinem geraden, pumpenden Beat und seiner kristallinen Elektronik als Song, der den leisen Lali-Puna-Zauber in eine Musik überführt, die auch das Publikum im Import Export zu sparsamen Bewegungen hinreißt. Aus Berlin, wo die Band einige Tage später auftrat, wurden per Facebook sogar entfesselt Tanzende vermeldet.

Und doch sind es vor allem hypnotische Qualitäten, die hier zum Tragen kommen, wenn Trebeljahr ihre gleichsam helle und kühle, mitunter regelrecht körperlos hauchende Stimme erklingen lässt. Wie schon auf "Our Inventions" umkreist sie dabei Themen, die erstaunlich kongruent gehen mit der modernen Prägung dieser Musik: von der allgemeinen Turbo-Beschleunigung des Lebens im digitalen Zeitalter über den zunehmenden Leistungsdruck im Arbeitskontext bis hin zum Überwachungswahn. Skepsis scheint da durch. Dabei habe sie gar kein Problem mit dem technologischen Fortschritt.

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"Er ist nun mal die größte Veränderung in unserer Gesellschaft: Er spaltet die Welt und rückt sie auf der anderen Seite sehr nah zusammen", sagt Trebeljahr, die mit "Two Windows" übrigens auch ein Paradebeispiel in Sachen Zusammenrücken abliefert. So entstand ein Drittel der Stücke über internationale Kollaborationen. Mit dem Produzenten Dntel und der Harfenistin Mary Lattimore aus den USA. Mit der japanischen Klangkünstlerin Midora Hirano und mit Keith Tenniswood aus Großbritannien. "Wunderbare Freundschaften sind da entstanden", sagt Valerie Trebeljahr. Vor allem jedoch auch, wie man unbedingt hinzufügen sollte: wunderbare Songs.

Lali Puna , Mittwoch, 29. November, 20 Uhr, Kammerspiele, Maximilianstraße 26

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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