Pop:Erfrischender Größenwahn

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Das erste Album ist so etwas wie ein Raketenstart - "Osca" überlassen anderen die feine Zurückhaltung. (Foto: Andreas Haimerl/Osca)

Die bayerisch-japanische Formation "Osca" hat nach jahrelangem Vorlauf ihr Debüt "Opus I" veröffentlicht. In der Bar Gabanyi stellt sie ihre Idee von Hyper-Pop vor

Von Martin Pfnür

Sollte die Geschichte dieser ebenso großartigen wie durchgeknallten Formation einmal in den Annalen des Pop Eingang finden, so wird man dort von einem eher speziellen Start berichten. Denn während sich die gemeine Band zumeist in Klassenzimmern oder Vorlesungssälen findet, beginnt die Geschichte des Quartetts Osca im tiefsten Berliner Winter, in einer saukalten, da unbeheizten japanischen Nudelbude. Aufeinander treffen dort der aus dem fränkischen Dinkelsbühl stammende Matthias Erhard sowie die in Tokio, Stadtbezirk Shibuya, aufgewachsene Deutsch-Japanerin, Sängerin und Violinistin Yuka Otsuki. Beide versierte Musiker, beide mittendrin in einer "Phase der kreativen Verzweiflung", wie Erhard berichtet, den es nach dem Studium (klassisches Klavier und Arrangement) in Freiburg und Salamanca 2008 nach Berlin verschlagen hat. Man kommt also ins Gespräch, beklagt Kälte und kreative Löcher, und schnell ist da die Erkenntnis, dass man es doch mal zusammen versuchen könnte mit der Musik.

Passiert ist das 2009, was recht erstaunlich wirkt, wenn man bedenkt, dass "Opus I", das erfrischend größenwahnsinnig betitelte Osca-Debüt, im Herbst 2015 erschien. Gründe für den langen Vorlauf gibt es aber genug: Knappes Budget, ausgeprägter Perfektionismus, ein Produzent, der nach anderthalb Jahren Arbeit gewahr wird, dass ihm diese vertrackten Stücke mit ihren oft 200 Spuren doch über den Kopf wachsen. Die ersten Schritte gehen Erhard und Otsuki indes in zügigem Tempo, ein Jahr lang werfen sie sich in den Songwriting-Prozess, stellen eine Band zusammen, spielen erste Konzerte, nehmen eine EP auf, die sie auf den Gigs verkaufen. Bereits im Rahmen dieser Auftritte zeigt sich der augenzwinkernde Wahnwitz, die Üppigkeit und die Opulenz, die den Ansatz dieser Band ausmachen. Auf der Bühne stehen sie als eine Art Neo-Sgt.-Peppers-Hearts-Club-Band, ihren Sound nennen sie Hyper-Pop, was vor allem damit zu tun hat, dass sie sich um Genre-Konventionen nichts scheren. Die japanische Art und Weise, mit musikalischem Material umzugehen, habe ihn schon immer inspiriert, sagt Erhard. "Die nehmen eine italienische Melone und züchten dann einfach eine viereckige japanische. Genauso machen wir das mit der Musik."

Entsprechend geriet "Opus I", das sie schließlich im Alleingang produzierten und mit einer Vielzahl an Gastmusikern einspielten, zu einem wunderbar hybriden musikalischen Füllhorn. Da ist eine Ballade wie "Decadent Estray", die mit ihrer Grandezza und den Streicherwänden auch ein formidables Bond-Theme abgeben würde. Da ist ein Stück wie das verwunschene, auf japanisch eingesungene "Okaeri", das mit süß tröpfelndem Piano und sanft federnden Drums einen fremden Anime-Zauber versprüht. Da ist aber auch dieser geschmeidige Drive, den Osca entfalten, wenn sie in Stücken wie "Muskboy" mit Bläsern, Streichern, Glockenspiel und funkigen Gitarrenlicks ihre höchst eigene Interpretation kontemporären Disco-Pops zu Gehör bringen. "Wir sind leidenschaftlich, dramatisch und pathetisch", sagt Yuka Otsuki und unterschlägt dabei das Hauptmerkmal ihrer Band. Denn letztlich sind Osca natürlich vor allem eines: ganz großer Pop.

Osca, Donnerstag, 11. Februar, 20.30 Uhr, Bar Gabányi, Beethovenplatz 2

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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