Pop:Alles immer richtig machen

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Die "Sprungbrett"-Gewinner auf der Theatron-Bühne

Von Dirk Wagner, München

Selbst, wenn die Musik gut wäre, die vom benachbarten Wakeboard-Stand penetrant ins Theatron schallt, würde sie die Konzerte auf der Seebühne immer noch unverschämt stören. Weil davon aber keine einklagbaren körperlichen Schäden zu erwarten sind, scheint es den Planern des Sommerfests im Olympiapark völlig wurscht zu sein, dass jener Wakeboard-Stand samt seiner eigenen Musikbeschallung schon wieder viel zu nah an der seit Jahrzehnten bespielten Seebühne steht. Schließlich störte er genau hier ja auch schon im Vorjahr. Verbessert hat sich seitdem aber nichts.

Selbst die lauteren Darbietungen der Münchner Gitarrenrockband Vertigo leiden eindeutig unter den Bässen einer gleichzeitig zu hörenden Clubmusik aus der Nachbarschaft. Dabei ist Vertigos Auftritt im Olympiapark Teil des Gewinns der vier besten Bands Münchens, welche sich den Titel über den Bandwettbewerb "Sprungbrett" des Feierwerks erkämpft haben. Das zweite Mal hat Vertigo nun am Sprungbrett-Wettbewerb teilgenommen. Wichtiger als der eigentliche Wettkampf sind den Musikern aber die Workshops, die den Contest begleiten. Hier helfen Experten aus der Musikbranche, den eigenen Auftritt zu verbessern, lehren, worauf bei Soundchecks oder in der Pressearbeit zu achten ist, und die Teilnehmer tauschen ihre Erfahrungen aus. Schnell werden so aus vermeintlichen Kontrahenten Freunde, die den Wettbewerb mehr als ein großes Festival begreifen. Trotzdem werden hier Siegerbands ermittelt, von denen nun drei im Theatron spielen. Eine vierte, nämlich Die Sauna, hat aus terminlichen Gründen abgesagt.

Allen Gewinnern gemein ist in diesem Jahr ein beachtliches handwerkliches Können, das nichts mehr mit der Learning-by-doing-Attitüde vergangener Punkbands zu tun hat. Solche Voraussetzung einer fundierten Grundausbildung fürs gemeinsame Musizieren ist möglicherweise musikalischen Vorbildern zu danken, die dem Pop auch mal ausgefeiltere Arrangements abverlangten. Bei der ersten Band des Abends, Luviar, erinnert so manches Gitarrenspiel darum auch an Frank Zappa oder an Led Zeppelin. Und der jazzig anmutende Pop von den darauf folgenden Sweet Lemon lässt auf einige Ella-Fitzgerald-Scheiben in der elterlichen Plattensammlung schließen, so wie auf das eine oder andere Album von Ricky Lee Jones oder Carole King.

Vielleicht aber ist das bewiesene handwerkliche Niveau der Bands auch nur das Ergebnis einer zunehmenden Popakademisierung, die anstelle des persönlichen Ausdrucks ein Bewusstsein über den perfekten Songaufbau setzt. Und natürlich über den Aufbau eines Konzerts, in welchem Vertigo wie schon tausend Bands vor ihnen die Zuschauer auch mal bittet, mit ihren Mobiltelefonen zu leuchten. Kurz: Alle Bands machen alles richtig, beweisen, was sie gelernt haben und tun jetzt gut daran, das Gelernte wieder zu vergessen, um endlich wieder sie selber zu sein: gute Musiker nämlich, die das Zeug dazu hätten, sich selber auszudrücken statt die Plattensammlung ihrer Eltern oder das Wissen um den perfekten Popsong.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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