Performance?:Geld oder Kunst!

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Ein US-Künstler hat eine Bank überfallen. In seinen Augen war das ein Kunstwerk. Die Richterin sah das anders.

Von Eva Herzog

Am Silvesterabend 2014 spazierte ein Mann in eine New Yorker Bank, bewaffnet mit einer Filmkamera und schob dem Schalterangestellten einen Zettel zu. "Dies ist ein Banküberfall. Große Scheine. Keine Farbtaschen, kein GPS." Die Mitteilung ließ wohl niemanden vor Schreck erstarren, aber immerhin übergab man dem Eindringling gut 1000 Dollar. Der bedankte sich artig und zog von dannen. Kurze Zeit später wurde er verhaftet.

Der Bösewicht ist nun nicht irgendwer, sondern der amerikanische Künstler Joe Gibbons. Und - so behauptet er - der Bankraub kein Bankraub, sondern eine gefilmte Performance. Tatsächlich kann Gibbons auf eine Karriere als Performer zurückblicken, unterrichtete an der Elite-Schmiede MIT und stellte im MoMa aus. Inspiriert habe ihn der französische Lyriker Rimbaud, der "glaubte, dass ein Poet in die Tiefen des Bösen hinabsteigen müsse, um davon zu berichten". Der Raub sei Teil eines Projekts, um die Entrechtung großer Teile der Gesellschaft aufzudecken.

Ein Meisterwerk der Performance-Kunst, so urteilt der Guardian. Dada und Aufopferung für die Kunst sei das, großes Kino an der Grenze zwischen Realität und Absurdität. Die Kunstwebsite Hyperallergi c assistiert, Gibbons Verbrechen sei höchstens, das Leben eines echten Avantgardekünstlers ertragen zu müssen.

Vermutlich war es aber zumindest auch der schnöde Mammon, der Gibbons zum kreativen Experiment brachte. Seine Lehrtätigkeit am MIT endete schon 2011, seither hält er sich mit Einzelprojekten über Wasser. Er gab vor Gericht zu, dass die eigenen Geldsorgen der letzte Anstoß zu seiner Performance gewesen seien.

So oder so, die Kunstwelt liebt traurige Helden: Auf der Internetplattform Indiegogo wird Geld für ihn gesammelt, und das Queens Museum New York will die Performance zeigen. Viele Künstler baten die Richterin um Milde. Es gehe Gibbons darum, die Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen zu lassen, ist auf der Website des MIT zu lesen. Vielleicht war er darin einfach zu gut. Das Gericht jedenfalls war wenig lyrisch gestimmt, auch kunsttheoretische Diskurse konnten es nicht erweichen: Gibbons wurde zu einem Jahr hinter Gittern verurteilt.

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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