Performance:Den Blicken ausgesetzt

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Wir sehen einen Körper, nehmen ihn als Oberfläche war. Doch was birgt dieser? Was ist das, was Sandra Hüller und mit ihr den Zuschauer umtreibt? (Foto: András Mezei Walke)

Sandra Hüllers Solo "Face Me" thematisiert Folgen medialer Gewalt und findet in einem leeren Pool statt

Von Egbert Tholl, München

Was für eine Entdeckung: "Das Streitfeld" in Berg am Laim ist ein Wunschort der Kunst. Einst war dort, in der Streitfeldstraße 33, eine Kleiderfabrik. Die zog irgendwann aus, und eine Gemeinschaft zog ein. Eine Künstlergenossenschaft, die sich dort ein Ideal von Ateliers und Wohnungen, von Projekt- und Gemeinschaftsräumen erfüllt. Schon die beiden Gebäude, Vorder- und Rückhaus, sind großartig, fast ein Architekturdenkmal, aus dem Jahr 1970. Und im Keller findet sich ein ehemaliges Schwimmbad.

Diesen Ort entdeckte Caitlin van der Maas, noch Regieassistentin und Regisseurin an den Kammerspielen, bald Produktionsleiterin bei der Ruhrtriennale, für ihre Produktion "Face Me". Diese ist eine Soloperformance von Sandra Hüller, der wunderbaren Schauspielerin von den Kammerspielen. Die Leute vom Streitfeld freuten sich, dachten sie doch ohnehin bereits darüber nach, wie man das leicht bizarre, aber auch atmosphärisch ganz außerordentliche Ambiente im Keller für Aufführungen nutzen könne. Doch leider bekam dann der genossenschaftliche Gemeinschaftsgedanke einen herben Dämpfer: Eine Dame, welche im vierten Stock von ihrer Dachterrasse aus Kunst ersinnt, rief das Baureferat an, um zu melden, dass hier Theater in einem Nicht-Theater stattfinden soll. Das Baureferat war nun in der Zwickmühle: Ja, es ist ein Schwimmbad und als solches nur bedingt für Theater geeignet. Aber: Es verspricht eine tolle Aufführung zu werden. Die Lösung: Man baut ein Geländer, klärt alle Besucher über den Raum auf und erklärt die Aufführungen am 15., 16., 17., 20. und 21. Mai zur Privatveranstaltung - man kann versuchen, einen der wenigen Plätze zu ergattern, unter noe.delf@gmail.com.

In einer Klanginstallation von Fabian Gutscher, die von Hüllers Bewegungen gesteuert wird und so den Raum zum Klingen bringt, wagt Sandra Hüller ein Experiment: Allein mit ihrem Körper untersucht sie die Rückstände, die Gewalt und deren mediale Präsenz in uns hinterlassen. Dabei geht sie bewusst ohne Sprache vor, ohne Text. Denn erstens, so Hüller, habe sie das in den Jahren an den Kammerspielen genug gemacht, und zweitens gehe es um einen - durch die Musik eröffneten - Assoziationsraum. Sprache ist immer konkret und bietet so manchmal Fluchtmöglichkeiten, sich von etwas Fremden zu distanzieren. "Face Me" jedoch ist eine Aufforderung an den Zuschauer, sich dem eigenen Fühlen und Denken auszusetzen.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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