Oscars und Diversität:Die Unsichtbaren

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Selten wurde so viel über Leute diskutiert, die nicht nominiert sind. Die Academy gelobt Besserung - aber es ist die Filmindustrie, die sich ändern müsste.

Von Susan Vahabzadeh

Am Sonntag werden zum 88. Mal die Oscars vergeben, und selten wurde im Vorfeld so viel über jene Leute diskutiert, die definitiv nicht gewinnen werden. Zum zweiten Mal in Folge wurde kein einziger farbiger Schauspieler nominiert, und Frauen haben traditionsgemäß bei den Academy Awards fast nur in jenen Kategorien Chancen, in denen sie unter sich bleiben. Es gab Proteste hin bis zu Boykottaufrufen. Die Academy, deren Mitglieder überwiegend weiße Männer sind, hat schnell reagiert und will sich nun reformieren.

Wurde da nicht der falsche Baum angebellt? Inzwischen haben viele, die dazu etwas zu sagen haben, von Meryl Streep über Steve McQueen bis zu George Clooney, darauf hingewiesen: Es würden von allen mehr Filme von Frauen, von Schwarzen, von Hispanics nominiert, würden sie denn in Hollywood gemacht. Es gibt ja welche - aber die sind meist unabhängig produziert, da, wo mit dem Filmemachen wenig Geld zu verdienen ist.

Die beiden großen Universitäten in Los Angeles haben in den Tagen vor der Verleihung neue Studien veröffentlicht zur Diversität im Kino: Stacy L. Smith von der University of Southern California untersucht unter anderem den Frauenanteil - wie viele weibliche Figuren gibt es, und haben sie etwas zu sagen? Das Urteil der Studie war vernichtend: Weite Teile der Gesellschaft bleiben auf der Leinwand unsichtbar, Hollywood, hieß es bei der Vorstellung, sei ein "Klub für weiße, heterosexuelle Jungs". Bei der anderen Studie geht es nicht um Sichtbarkeit, sondern um Geld. Wissenschaftler vom Ralph J. Bunche Center der University of California in Los Angeles wollen herausgefunden haben, dass die Filmindustrie sich jedes Jahr Milliarden an Einnahmen entgehen lasse, weil sie die Bevölkerungsstruktur nicht repräsentiert. Überdurchschnittlich viele Eintrittskarten werden in den USA an Angehörige von Minderheiten verkauft. Und es zeige sich, dass die wenigen Filme und Fernsehshows, die mit ihren Figuren ungefähr die Zusammensetzung der Gesellschaft reflektieren, überdurchschnittlich erfolgreich seien. Den Verlust zu beziffern, ist trotzdem schwierig. Fest steht aber, dass die Studios mit Filmen, die weibliche Identifikationsfiguren lieferten, der "Tribute von Panem"-Reihe beispielsweise, in den letzten Jahren viel Geld verdient haben. Trotzdem sind nur ein Viertel der Hauptrollen im Erfolgskino weiblich.

Im Moment spiegelt die Zusammensetzung der Academy nicht die Gesellschaft, sondern die Industrie - und die entscheidet nach wie vor, was mit großem Budget gedreht wird. Wenn sich Industrie und Academy aber nicht gemeinsam verändern, werden sie einfach nichts mehr miteinander zu tun haben. Ob die Oscars dann noch der wichtigste Filmpreis der Welt sind? Wenn nicht, nützt das keinem.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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