Neues Album von Lana Del Rey:Musik für sedierte Schönheitsköniginnen

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Lana Del Rey inszeniert sich als sentimentales All American Girl - und ist damit wahnsinnig erfolgreich. (Foto: Neil Krug)

"Honeymoon", das neue Album von Lana Del Rey, stimmt auf einen langen Winterschlaf ein - ist dabei aber ganz und gar nicht langweilig.

Von Jan Kedves

Jetzt, wo die Körper noch ganz ausgelaugt sind von Rekordhitze und Sonnenbränden des erschöpften Sommers, lässt sich wohl kaum eine bessere Musik zur Winterschlafvorbereitung vorstellen als "Honeymoon" (Universal), das neue Album von Lana Del Rey. Doch, das ist ein Kompliment!

Denn das vierte Werk der Amerikanerin bringt einen nicht einfach so zum Dösen, was ja tatsächlich langweilig wäre. Im Gegenteil: Es ist eher so, dass das Album den Hörer in einen reizvoll traumgleichen Dämmerzustand versetzt, in dem zuletzt erlebte Genüsse präsent bleiben, im Slow-Motion-Loop vor dem inneren Auge tanzen, während alles andere auf Eisfachtemperatur heruntergefahren wird.

Beim Hören fühlt man sich wie eine sedierte Schönheitskönigin

Die in Kalifornien lebende Sängerin verstand seit ihrem Debüt "Born to Die" 2012 viel davon, sich als sentimentales All American Girl zu inszenieren und musikalisch diverse Standards der Americana (Hollywood-Streicher, Nancy-Sinatra-Timbre, Hip-Hop-Beats) zu einer Art California Noir zu verbinden. Damit wurde sie auch wahnsinnig erfolgreich: Ihr letztes Album "Ultraviolence" stand 2014 an der Spitze der amerikanischen Longplay-Charts, und bei Spotify ist sie in den USA seit März die populärste, das heißt am häufigsten gestreamte Musikerin - vor Rihanna und Beyoncé.

Beim Anhören von "Honeymoon" fühlt man sich nun wirklich wie eine sedierte Schönheitskönigin: "Hollywood legends will never grow old", singt Del Rey, die im Juni ihren 30. Geburtstag feierte, im Song "Terrence Loves You" zu sehr eisigen Geigen, und natürlich meint sie sich hier als vergleichsweise junge Legende gleich mit. Es gibt eine dezent narkotisierte Interpretation von "Don't Let Me Be Misunderstood", dem Song, der in den Sechzigern durch Nina Simone bekannt wurde, beziehungsweise dann später in der penetranten Discoversion von Santa Esmeralda.

Sie singt von der Suche einer Gottlosen

Del Rey singt den Song durch einen vors Mikro geschalteten Vintage-Filter und bringt ihn ansonsten zum hypnotischen Schweben. In "God Knows I Tried" behandelt sie dann die vergebliche Gottsuche einer Gottlosen, die mit ihrem Ruhm irgendwie auch nicht so richtig glücklich wird. Durch weite Echoschleifen säuselnd berichtet sie davon, montags "zerstört" zu werden, bis Freitag aber "wiederbelebt" zu sein, und das alles im "Hotel California".

Mit diesem Hotel scheint hier aber keine Kiffer-Absteige mehr gemeint zu sein wie bei den Eagles, und auch kein mondän-morbides Chateau Marmont, das ja dafür berühmt ist, jener Ort zu sein, an dem die Stars bevorzugt ihre Drogentode sterben. Nein, Lana Del Rey scheint bei "Hotel California" eher an eines jener mythischen, irgendwo in der kalifonischen Wüste stehenden Kryotechnik-Zentren zu denken, in denen angeblich sehr reiche Gäste in sehr teuren Art-Deco-Tanks und flüssigem Stickstoff darauf warten, in 100 Jahren wieder geweckt zu werden, um dann ganz erfrischt zu neuen Lüsten aufzubrechen.

"Honeymoon" klingt ein bisschen wie der Soundtrack solcher Einrichtungen. Vielleicht gibt es sie noch gar nicht, aber wer weiß das schon so genau? Lana Del Rey jedenfalls müsste, wenn es sie nicht längst schön gäbe, dringend aufgetaut werden.

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