Netznachrichten:Das Ende des Trollens

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Der Digital-Stratege und Futurologe Eric Garland schlägt eine Zweiteilung des Internets vor. Im "Grade-A-Web" würden sich alle ganz zivil verhalten. Im "Wild Wild Web" wären dagegen die Regeln des Zusammenlebens außer Kraft gesetzt.

Von Michael Moorstedt

Menschen sind nicht nett zueinander, zumal im Internet. Troll nennt der digitale Volksmund die Sorte Mensch, die offenbar einen Lustgewinn daraus zieht, Diskussionen zu kapern, andere im Netz zu verhöhnen und zu beleidigen oder veritable Hetzkampagnen zu starten, die auch vor der Offline-Existenz ihrer Opfer nicht haltmachen. Im Netz vermeintlich anonym Gift und Galle auszuschütten, ist mittlerweile Volkssport geworden. Aus dem sonst doch eher entspannt wirkenden Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo zum Beispiel brach es kürzlich im Rahmen eines Podiums heraus, ein Blick in die Kommentarspalten gleiche "dem Blick in die Kloake menschlicher Abgründe".

Nachrichtenportale schalten deshalb ihre Kommentarfunktion ab, und in Foren und Online-Communities gibt es seit Jahr und Tag das Bestreben, die Nutzer zu klassifizieren. Zum Beispiel dadurch, dass öffentlich angezeigt wird, wie lange Mitglieder schon dabei sind, um Zweit- und Troll-Accounts leichter zu identifizieren. Allein die Tatsache allerdings, dass ein Nutzer schon Zehntausende zivile Kommentare verfasst hat, bedeutet nicht, dass er ewig friedlich bleibt. Im Gegenteil: Wer sich derart intensiv beteiligt, könnte man meinen, neigt zu Obsessivität.

In einem eher waghalsigen Gedankenexperiment schlägt der Digital-Stratege und selbsternannte Futurologe Eric Garland daher eine Art zweigeteiltes Netz vor. Im ersten " Grade-A-Web" würden sich demnach alle verhalten, wie sie es auch auf offener Straße tun - weil ihre Kommentare automatisch mit den jeweiligen Facebook-, Twitter- oder Xing-Konten verknüpft wären. So könnten alle Verwandten, Freunde und Kollegen nachverfolgen, wenn ihr Sohn oder Mitarbeiter mal wieder gegen irgendwen hetzt im Netz. Im zweiten " Wild Wild Web" wären dagegen sämtliche Regeln des zivilisierten Zusammenlebens außer Kraft gesetzt.

Wie man die Idee technisch umsetzen könnte, das lässt Garland allerdings offen. Bislang blieb den Beitreibern von Online-Foren nur das alte Moderieren und Blockieren, um der Plage Herr zu werden. Eine Reihe von Innovationen verspricht nun aber Abhilfe. Das Unternehmen Trustev etwa will Trollen mit einer eigens entwickelten Software zu Leibe rücken. Mithilfe des sogenannten Browser-Fingerprintings, also der quasi eindeutigen Identifizierung eines Computers, soll sichergestellt werden, dass ein einmal gesperrter Nutzer auch gesperrt bleibt und sich nicht einfach eine neue Identität zulegt. Die Technik ist vielversprechend. Schließlich wird sie sonst vor allem von Werbenetzwerken dazu benutzt, Nutzer durch das Netz zu verfolgen.

Und ein Team der amerikanischen Universität Stanford hat jetzt vielleicht die endgültige Waffe gegen Trolle geschaffen. Dank eines selbstlernenden Algorithmus seien sie in der Lage, Trolle schon dann zu identifizieren, wenn diese noch gar nicht angefangen haben, ihre Galle zu versprühen. Nachdem sie Zehntausende Kommentare in Online-Foren analysiert hätten, reiche es ihrer Software, die ersten fünf Einträge eines Nutzers zu lesen, um vorhersagen zu können, ob er zum Troll neigt.

Ganz anders und sogar ein bisschen altmodisch geht man übrigens in Schweden mit dem Problem um. Dort gibt es eine Fernsehshow, in der ein Kamerateam mutmaßliche Trolle in der guten Tradition des Privatfernsehens in deren Zuhause aufsucht und öffentlich bloßstellt. Die Rückfallquote, heißt es, sei sehr gering.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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