Netzkolumne:Worldwide Katzenbilder

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Nein, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist nicht dasselbe wie chinesische Zensur. Aber es lassen sich weltweit Trends zur Regulierung des Netzes und zu nationalen Sonderwegen in Sachen Freizügigkeit feststellen.

Von Michael Moorstedt

Was haben ein deutsches Gesetz gegen Hassparolen im Internet, der Online-Pornokonsum der Briten und die Zensur in China gemeinsam? Für das Technik-Magazin Wired sind sie der Anfang vom Ende vom Internet, wie wir es kennen. Der eine riesige Cyberspace verkomme zu vielen kleinen Räumen, abgetrennt durch nationale Gesetzen und kleinliche Vorschriften. Wird aus dem weltumspannenden, ätherischen, alles und alle vernetzenden Internet ein Splinternet, ein zersplittertes Netz, fragt man sich sorgenvoll.

Bei der Argumentation verstolpert man sich allerdings in der Redaktion in San Francisco. Da wird das kürzlich in Deutschland verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das den überbordenden Hass in sozialen Netzwerken eindämmen soll ebenso wie das EU-weit geregelte "Recht auf Vergessen" gleichgestellt mit den Versuchen der chinesischen Behörden, die große Firewall noch hermetischer abzudichten, indem man nun auch den Einsatz von sogenannten Virtual Private Networks verbietet.

Wird das Internet, wie wir es kennen, in zehn Jahren Geschichte sein?

Lässt man die Hysterie einmal beiseite, kann tatsächlich ein gewisser allgemeiner Trend zur Regulierung erkannt werden. Dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz ähnliche Initiativen gibt es mittlerweile auch in Österreich, Frankreich oder Kanada, und vor dem Europäischen Gerichtshof streitet sich gerade die französische Datenschutzbehörde CNIL mit Google darüber, ob das Recht auf Vergessen weltweit einzuhalten ist. Was früher erlaubt oder zumindest toleriert war, wird nun in jedem Land unterschiedlich gehandhabt. Die Liste nationaler Sonderwege lässt sich freilich beliebig erweitern. Zum Beispiel durch die Ankündigung der britischen Regierung, den Nutzern Pornoseiten ab kommendem Jahr nur noch nach Identitätsnachweis zugänglich zu machen. Amazon und Netflix zensieren derweil in vorauseilendem Gehorsam ihre Inhalte, um in Indien Fuß zu fassen. Zugleich können dort Anbieter von moralisch fragwürdigen Produkten auf Google keine Anzeigen schalten.

Eine "Abwärtsspirale" diagnostiziert etwa Vivek Krishnamurthy, Vizedirektor an der Cyberlaw Clinic der Harvard-Universität. Momentan könne man ein juristisches Wettrüsten beobachten, heißt es auch beim Thinktank Internet & Jurisdiction, der seit 2012 mehr als 1000 Vorfälle dokumentiert, in denen nationale Gerichte bestimmt haben, wer was wo im Internet zu sehen bekommt oder eben nicht. Wie so oft passt das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht automatisch mit dem Recht auf Privatsphäre zusammen.

Was kann man also dagegen tun? Dazu fällt den Denkfabriken momentan wenig ein. Der Aufbau einer supranationalen Behörde, die womöglich sogar bindende Entscheidungen fällen könnte, wird von den meisten Experten als illusorisch angesehen. In fünf bis zehn Jahren werde das Internet, wie wir es kennen, deshalb Geschichte sein, heißt es. Es finden sich aber auch ein paar Optimisten, die der Entwicklung noch 20 Jahre Zeit geben. Bleibt die Frage, wie das Web dann aussehen wird: Wird es eine Aneinanderreihung von nationalen Netzen sein, mit nur wenigen, streng regulierten Verbindungen, ähnlich wie früher das Post- oder das Telefonnetz? Oder doch, wie Harvard-Mann Krishnamurthy prophezeit, ein zwar globaler, aber eben auch ultrahygienischer Ort, an dem man "nicht mehr sehen kann als Fotos von niedlichen Katzen".

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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