Nachruf:Mit ganzer Seele Verleger

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Er hat ein Jahrzehnt lang das Flagschiff der Literatur in der DDR, den Aufbau Verlag, geführt und ihn dann durch die Wende gesteuert. Danach gründete er seinen eigenen Verlag. Jetzt ist Elmar Faber mit 83 Jahren gestorben.

Von Burkhard Müller

Ein Verleger in der DDR hatte es leichter und schwerer zugleich als seine Kollegen im Westen. Schwerer, weil er immer kämpfen musste, um Papier für seine Bücher und eine Druckerlaubnis von der Partei zu bekommen; aber leichter eben auch, weil er nicht gnadenlos die Rendite zu steigern hatte und weil in einem Land, in dem niemand der Zeitung und dem Fernsehen Glauben schenkte(Internet gab es sowieso nicht), unter allen Medien allein das Buch Vertrauen genoss. "Verloren im Paradies - ein Verlegerleben" lautete der Titel von Elmar Fabers Autobiografie. 1934 in Thüringen geboren, hat er sein ganzes Leben im Verlagsgeschäft verbracht. Er begann als Lektor, dann leitete er die Edition Leipzig und schließlich von 1982 an den Aufbau Verlag, das Flaggschiff der ostdeutschen Buchproduktion. Für ihn galt immer beides; es war ein Paradies, das Anstrengung verlangte, Mut, List und Improvisationsvermögen. Mit Bildbänden über Aquarienfische und altes Zinngeschirr ließen sich im Westen Devisen holen und im Osten Tauschgeschäfte organisieren, wichtige Ressourcen in der notorischen Mangelwirtschaft.

Fabers Vorgänger Walter Janka war in den Fünfzigern im Gefängnis gelandet; und auch Faber musste es sich mehr als einmal gefallen lassen, dass höhere Instanzen seinen Klassenstandpunkt infrage stellten. Er ging Kompromisse ein, die nicht allen gefielen; aber da er als SED-Mitglied dialektisch geschult war, wusste er, dass, wo nicht alles geht, doch manches möglich ist.

Faber war es auch, der den Aufbau Verlag durch die Zeit der Wende navigierte. In zähen Auseinandersetzungen verhinderte er, dass dieses vormals staatstragende Unternehmen abgewickelt wurde. Er, der schon der alten DDR-Führung suspekt gewesen war, geriet nun auch von der Gegenseite unter Beschuss, als er sich darauf einließ, mit Markus Wolf und Erich Honecker zusammenzuarbeiten, die ihre Memoiren schreiben wollten. Aus dem Wolf-Projekt wurde schließlich doch nichts; aber die Erinnerungen Honeckers, aus langen Gesprächen mit Faber hervorgegangen, erwiesen sich als Bestseller und halfen dem Verlag über die schlimmste Durststrecke hinweg.

Noch einmal wagte er einen Neuanfang. Zusammen mit seinem Sohn Michael gründete er den Verlag Faber & Faber, finanziert durch Kredite, die er sich eigentlich gar nicht leisten konnte. Es war eine Edition für Liebhaber, Weltliteratur mit künstlerischen Illustrationen in kleinen Auflagen. Wer Elmar Faber im Ruhestand am Leipziger Stadtrand besuchte, der erlebte einen freundlichen älteren Herrn in Strickjacke und Krawatte, entspannt und doch auf Form bedacht, der den Gast gern durch seinen vierstöckigen Bücherturm führte, die stolze Bilanz seines Lebens. Nein, er bedauerte nichts von dem, was er in seinen sechzig Bücher-Jahren getan hatte; und auch die deutsche Einheit hielt er für einen Segen. Allerdings fehlte dem neuen Gesamtdeutschland die in seinen Augen wichtigste Zutat des Kapitalismus, die Konkurrenz. Hier sprach noch einmal, nicht ohne Ironie, der alte Dialektiker. Am Sonntag ist Elmar Faber im Alter von 83 Jahren in seinem Haus in Leipzig gestorben.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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