Nachruf:Jean d'Ormesson

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Er war ein Dandy der französischen Literaturszene, Kolumnist für den "Figaro", Mitglied der Akademie. Nun ist Jean d'Ormesson gestorben.

Von Joseph Hanimann

Er war der sympathischste Dandy der französischen Literatur. Trotz seiner vier Dutzend Bücher, von denen sich keines unter zweihunderttausend Exemplaren verkaufte, trotz der Aufnahme in die Pléiade-Ausgabe bei Gallimard noch zu Lebzeiten war der Aristokraten- und Diplomatensohn Jean d'Ormesson viel zu klug, um zu glauben, sein Werk würde in die Geschichte eingehen. Schreiben war für ihn vor allem eine höhere Form des höflichen Umgangs, auch über Meinungsverschiedenheiten hinweg. Das kam bei den Franzosen so gut an, dass dieser konservative Denker und jahrzehntelange Kolumnist des Figaro praktisch keine Gegner mehr hatte, zu seinem eigenen Bedauern.

Nach einem Philosophiestudium trat der 1925 in Paris Geborene zunächst widerwillig in den Schuldienst ein, wechselte bald zum Journalismus, übernahm Führungspositionen bei der Unesco, wurde 1973 in die Académie Française gewählt, brillierte in den Pariser Salons und Fernsehstudios. Seine Bücher sind weitgehend eine Mischung aus Autobiografie, Betrachtungen, Anekdoten, Spekulationen, Kommentaren, Geschichtsfiktionen. Der Durchbruch kam 1974 mit dem Roman "Au plaisir de Dieu" über die Entwicklung einer Adelsfamilie im 20. Jahrhundert. Im Pariser Literaturleben wirkte der Autor von da an hinter wie vor den Kulissen und war maßgeblich daran beteiligt, dass Marguerite Yourcenar 1980 als erste Frau in die Académie Française gewählt wurde. Über die Landesgrenzen hinaus ist sein Ruf indessen kaum gelangt. Dafür war er zu sehr ein französisches Phänomen. Manchmal habe er bedauert, nicht die Breite der russischen, nord- oder südamerikanischen Literatur zu haben, gestand er in "Garçon, Schreibpapier!". Doch seien die Franzosen nun einmal ein Volk der gepflegten Gärten. Dort war Jean d'Ormesson ein Meister.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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