Nachruf:Hans Barlach gestorben

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Neun Jahre dauerte der Streit um den Suhrkamp-Verlag, in dem Hans Barlach für viele die Rolle des Unholds spielte. Nun ist der Unternehmer im Alter von 59 Jahren gestorben.

Von Thomas Steinfeld

Neun Jahre, vom Herbst 2006 bis zum Januar 2015, währte der Streit um den Suhrkamp-Verlag. Juristisch ging es zunächst um die Frage, welche Rechte einem Minderheitsgesellschafter einzuräumen sind. Symbolisch aber ging es um viel mehr: um die Tradition des wichtigsten deutschen Verlages nach dem Zweiten Weltkrieg, um den Gegensatz zwischen Geld und Geist, um die Kultur in Unternehmensform schlechthin. Und so eskalierte dieser Konflikt zu einem öffentlich aufgeführten Drama von beträchtlichem Umfang, für das sich auch Menschen interessierten, die schon viele Jahre kein Buch aus diesem Haus mehr gelesen hatten - zumal das Personal so pittoresk war: hier eine Witwe, Erbin und Geschäftsführerin, über deren verlegerische Fähigkeiten zumindest nicht immer Einigkeit herrschte, dort ein stets etwas undurchsichtiger Unternehmer, der es in den Augen eines der wichtigsten Autoren dieses Verlags bis zum "Unhold" brachte.

Er konnte nicht aufgeben, er musste weiterkämpfen

Hans Barlach, immer noch Anteilseigner von Suhrkamp, ist am Mittwoch gestorben. Die Nachricht von seinem Tod verblüfft, nicht nur, weil er so jung starb, im Alter von bloß 59 Jahren, nicht nur, weil er nur ein halbes Jahr nach seiner endgültigen Niederlage - der Umwandlung des Suhrkamp-Verlages in eine Aktiengesellschaft - starb, sondern auch, weil dieser Tod dem Charakter dieses Mannes so sehr widerspricht. Denn Hans Barlach war keineswegs nur ein Spekulant, der an diesem Verlag möglichst viel verdienen wollte. Je länger dieser Streit währte, je zahlreicher und komplizierter die juristischen Verfahren wurden, je aussichtsloser auch die eigene Position, desto mehr offenbarte sich eine Unerbittlichkeit, die mit dem erhofften Erfolg nur wenig zu tun haben konnte. Hans Barlach konnte nicht aufgeben, er musste weiterkämpfen. Und es mag sein, dass es gerade das Zwielicht war, in das er immer wieder geriet, das ihn zu einem solchen Kämpfer der verlorenen Sache werden ließ.

Hans Barlach, im August 1955 in Ratzeburg geboren, war einer der beiden Enkel des Bildhauers Ernst Barlach. Er betreute dessen Rechte und kümmerte sich um Reproduktionen und Abgüsse der Skulpturen seines Großvaters, gewiss nicht zu seinem Nachteil. Er war noch keine dreißig Jahre alt, als er, der die Schule abgebrochen und eine Lehre als chemo-technischer Assistent absolviert hatte, in Hamburg seine erste Galerie eröffnete. Die zweite, die Farbbad-Galerie in den Kellern einer historischen Badeanstalt, folgte kurz darauf, zusammen mit einem finanziellen Engagement in der Hamburger Rundschau, einer kleinen Wochenzeitung, aus der ein linkes Korrektiv zur etablierten Presse hätten werden sollen. Von dort aus trug es ihn in eine Existenz als Immobilienentwickler, Medieninvestor ( TV Today) und zeitweilig auch geschäftsführenden Verleger der Hamburger Morgenpost - bis er Ende 2006 einen Anteil von 29 Prozent am Suhrkamp-Verlag kaufte, den der Schweizer Unternehmer und Mäzen Andreas Reinhart gehalten hatte. Ob das aus finanziellem Kalkül geschah, wie Hans Barlach oft vorgeworfen wurde, oder ob sich dieser Einstieg auch einem Interesse an der Kultur verdankte, wie symbolisch es auch immer ausgefallen wäre - das ließ sich in all diesen Jahren nie auseinanderhalten. Und es wird sich jetzt auch nicht mehr auseinanderhalten lassen.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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