Nachruf:Der Vater von Pan Am

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Erstens originell, zweitens angemessen, drittens einfach und viertens: einprägsam. Der amerikanische Grafikdesigner Ivan Chermayeff prägte mit seinen Logos eine ganze Epoche. Einigen galt er als reales Vorbild für die Fernsehserie "Mad Men".

Von Peter Richter

Er war 22 alt und eigentlich nur derjenige, der im Architekturbüro von Nick Noyes für die Beschilderungen zuständig war, das gerade die Verkaufsbüros der Pan American World Airways neu gestalten sollte. Aber es war seine Idee, nie wieder Pan American World Airways irgendwo drüber zu schreiben, sondern: Pan Am. Fertig. Später kam noch eine Weltkugel mit stilisierten Breitengraden drumherum.

Noch viel, viel später würde Ivan Chermayeff auf der Dachterrasse seines Penthouses auf der Upper East Side sitzend seinem Besuch das Prinzip des "Weniger ist Mehr" auch anhand der ökonomischen Faktoren in schlagender Weise verdeutlichen: "Wenn jeder Leuchtbuchstabe über so einem Ticketschalter, sagen wir, 50 Dollar gekostet hat, dann hat das weltweit doch ein Vielfaches von dem eingespart, was ich dafür bekommen habe."

Das war eine ebenso elegante wie charmante Untertreibung dieses grundsätzlich ebenso charmanten wie eleganten Mannes. Denn Ivan Chermayeff hatte es weder Geld noch ein Urheberrecht eingebracht, dass er damals gewissermaßen einer ganzen Epoche die ikonische Beschriftung verpasst hat. Aber mit dem sogenannten Jet Age, der goldenen Zeit des stilsicheren Fliegens, war es da halt auch schon genauso vorbei wie mit der 1991 von Delta geschluckten Pan Am, während Chermayeff und sein Partner Peter Geismar immer noch eine der fruchtbarsten Agenturen zur Beschilderung Amerikas, vor allem aber New Yorks, betrieben. Aus ihrem Grafikdesign-Büro kamen die zeitlos prägnanten Logos der Chase Bank und von Mobil Oil genauso wie die von den Fernsehsendern NBC und Showtime. Von ihnen waren die Schriftzüge über der National Geographic und über dem Museum of Modern Art - und der über dem feinen Modekaufhaus Barney's an der Madison Avenue, bei dem eigentlich nur das Y so ein klitzekleines bisschen schnittiger ist als die anderen Buchstaben, so wie bei einem sehr guten Anzug vielleicht das Revers ein klitzekleines bisschen schnittiger ist als bei einem normal guten.

An der Madison Avenue lag lange auch Chermayeffs Büro, das zumindest verbindet ihn mit den Werbern, die man auch deswegen als Mad Men bezeichnet hat. Und wenn Chermayeff gelegentlich als eines der realen Vorbilder für die gleichnamige Fernsehserie bezeichnet wurde, dann ist das in stilistischer Hinsicht nachvollziehbar, Kreativität vertrug sich auch hier habituell eher gut mit Krawatten, entscheidend sind aber die Unterschiede. Chermayeff war kein Werber, sondern Grafikdesigner, und zwar der, der den Werbern der Großagentur Grey - zu deutsch: grau - einst gesagt hat, wie die ihren Namen schreiben sollten, nämlich in leuchtendem Orange. Chermayeff hatte eine Herkunft, die man als illuster bezeichnen kann - und vermutlich auch als Verpflichtung. Sein Vater Serge Chermayeff, Emigrant aus Russland, war Tänzer in London gewesen und später Architekt und Lehrer (u. a. von Norman Foster) in Harvard und Yale; Leute wie Walter Gropius gehörten zum Umgang. Auch das Designverständnis von Ivan Chermayeff hatte etwas von klassisch moderner Architektur. Sein geradezu vitruvianisch anmutendes Entwurfscredo lautete, dass ein Logo erstens originell, zweitens angemessen, drittens einfach und viertens einprägsam zu sein habe. In Kinderbuchillustrationen, etwa für Kurt Vonneguts "Sun Moon Stars", kam dieses Prinzip in einer etwas weniger scharfkantigen Version genauso zur Geltung, aber in den künstlerischen Collagen, die seine Wohnung hoch über der Lexington Avenue zierten, zeigte sich, dass Reduktion bis zum tektonischen Kern der Dinge nicht das einzige war, was dieser Mann sehr meisterhaft beherrschte. Wie jetzt bekannt wurde, ist Ivan Chermayeff am vergangenen Wochenende im Alter von 85 in New York gestorben.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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