Nachruf:Der Komponist Glenn Branca ist tot

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Radikal: Glenn Branca dirigiert 1985 ein Konzert in New York. Foto: wowe (Foto: wowe)

Seine Werke gehören zu den radikalsten der zeitgenössischen Musik. Der Komponist aus der Punkszene ist mit 69 verstorben.

Von Andrian Kreye

Wenn man davon ausgeht, dass Lärm die Summe aller Töne ist, war der am Sonntag verstorbene Komponist und Gitarrist Glenn Branca einer der größten Meister nicht nur seiner Zeit. Vor allem seine Werke für Ensembles mit bis zu einhundert E-Gitarren konnten die Hörer mit einer Reizüberflutung überwältigen, wie sie es nur wenige Komponisten wagten. Noch vor zweieinhalb Jahren etwa führte er seine "Symphony Nr. 16 - Orgasm" in der Pariser Philharmonie auf, eine Welle der verzerrten Akkorde unterstützt von Schlagzeugen und Bässen, die er mit großer Ruhe dirigierte.

Der Komponist John Cage war einer der ersten, die Brancas Potenzial erkannten, damals in den frühen Achtzigerjahren, als sich die Klassikwelt noch nicht so recht anfreunden wollte mit dem Irren aus der Punkszene, der sich anmaßte seine Werke für großes Ensemble als Symphonien zu bezeichnen. Cage fasste das Erlebnis eines Branca-Konzerts 1982 stellvertretend für viele Zuhörer zusammen: "Ich wollte nicht in einer Gesellschaft leben, in der hundert Leute etwas so Intensives gemeinsam vollbringen müssen. Ich mochte die Erfahrung wirklich nicht. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto offener werde ich dem gegenüber. Ich würde es nicht begeistert annehmen, aber ich würde es auch nicht vollkommen ablehnen. Denn es zeigt, wie weit und wie anders unser Verständnis von Komposition ist."

Angefangen hatte Glenn Branca im Theater. 1976 zog er nach New York, spielte in Bands und komponierte seine ersten Avantgarde-Stücke. Branca experimentierte mit alternativen Stimmungen und Instrumentierungen, schrieb Werke für großes Orchester und Avantgarde-Ensembles.

Die Gitarristen Thurston Moore und Lee Ranaldo, mit denen er anfangs zusammenarbeitete, gründeten bald ihre eigene Band Sonic Youth. Die Verbindungen zum Post-Punk halfen, ihn bei einem Rockpublikum bekannt zu machen. Sein Vermächtnis sind jedoch Werke, die zu den radikalsten der zeitgenössischen Musik gehören. Er wurde 69 Jahre alt.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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