Nachruf:Der große Verleger Peter Mayer ist tot

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Peter Mayer, geboren 1936, hatte Sinn dafür, was ein Verleger sein und was er darstellen muss. (Foto: Overlook Press)

Er war der Chef beim britischen Verlag Penguin, als dort Salman Rushdies Roman "Die satanischen Verse" erschien. Jetzt ist Peter Mayer mit 82 Jahren in New York gestorben.

Von Franziska Augstein

Peter Mayer hatte drei herausragende Eigenschaften. Er war ein begnadeter Verleger, er war ein charmanter Causeur; und wenn er nicht redete oder zuhören musste, fiel er binnen Sekunden in Schlaf.

Seine ersten drei Jahre verbrachte Mayer in der kleinen Stadt Vlotho an der Weser. Die Eltern, Juden, verließen das Nazi-Reich eben noch rechtzeitig, 1939. Ihr Sohn wuchs in New York heran. Jahrzehnte später fuhr er einmal nach Vlotho und klingelte an der Tür seines einstigen Elternhauses. Die damaligen Besitzer öffneten und führten sich auf, wie wenn er als fordernder Alteigentümer gekommen wäre. Dabei hatte er das Haus bloß wiedersehen wollen. Diese grässliche Episode schilderte Mayer, als wäre es eine normale Anekdote: Die enttäuschende Erfahrung focht ihn nicht weiter an.

Nach der Schule jobbte er - ein schöner Mann - in New York mal als Model, mal als Taxifahrer. Bei der US-Handelsmarine diente er als Matrose, landete in Spanien und erlernte bei der Gelegenheit die Landessprache. Sein Deutsch verbesserte er, dessen Dissertation in englischer Literatur an der Universität Oxford mit magna cum laude benotet wurde, mittels eines Fulbright-Stipendiums in Berlin.

Peter Mayer liebte Bücher. Mit 25 Jahren begann er, im Verlagswesen zu arbeiten. Wie sich zeigte, hatte er ein gutes Händchen für Manuskripte und Organisation. Nachdem er bei dem New Yorker Verlag Simon and Schuster sein Talent bewiesen hatte, wurde er 1978 zum Chef von Penguin Books bestellt, dem britischen Verlagshaus, das trotz seiner weltweiten Ausdehnung entkräftet war. Mayer war zuständig für die Penguin-Häuser in Britannien, den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Deutschland, Holland und Indien. Spätestens bei den Reisen, die das mit sich brachte, dürfte er sich die Fähigkeit erworben haben, in jeder freien Minute sofort zu entschlummern.

Als Häuptling von Penguin benahm er sich wie eine Mischung aus den fantasievollen Helden von "Ghost Busters" und Verlagskönigen alten Schlags. Er restrukturierte die gesamte Organisation, vom Vertrieb bis zum Design der Bücher, und fand viele neue Autoren. In seine Zeit fiel 1988 die Publikation von Salman Rushdies "Satanischen Versen" bei einem Ableger der Penguin Gruppe. Andere Verleger hätten das Buch aus Angst vor Anschlägen vielleicht vom Markt genommen. Nicht so Peter Mayer. Von Konkurrenten ließ er sich nicht einschüchtern, von Fanatikern schon gar nicht.

Als ihm seine lukrative, erfolgreiche Arbeit als Penguin-Chef langweilig geworden war, schied er aus und baute sein eigenes, sehr viel kleineres Verlagsimperium auf. Familientier, das er war, hatte er schon 1971 mit seinem Vater den Verlag Overlook Press gegründet, dem er sich von 1997 an widmete. Er kaufte den darbenden Londoner Verlag Duckworth und den in den USA ansässigen Verlag Ardis, der seine literarischen Bücher in englischer und russischer Sprache auch in Russland gut vertreiben konnte.

Peter Mayer hat das internationale Verlagswesen im besten amerikanischen Geist belebt: Neugierig sein, Neues wagen. Zusammen mit Klaus Wagenbach, Inge Feltrinelli, Christian Bourgois und anderen gehörte er zu den unabhängigen Verlegern, die sich nicht haben in die Knie zwingen lassen von Medien-Konzernen, deren CEOs Bücher als "Produkte" bezeichnen.

Mit seiner Physis war er weniger umsichtig als beim Geschäft: Ein Unfall reihte sich an den nächsten. Vor zehn Jahren schon hatte er Mühe beim Treppensteigen. Als er in einer Pension bemerkte, dass seine Langsamkeit andere Gäste aufhielt, wandte er sich um und erklärte mit liebenswürdigstem Lächeln: "Mein halbes Knochengerüst besteht aus Metall." Wären die Leute Autoren gewesen, sie hätten gewiss sofort bei ihm einen Vertrag unterschrieben. Erst jetzt erfuhr die SZ die traurige Nachricht: Am 11. Mai ist Peter Mayer im Alter von 82 Jahren in New York gestorben.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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