Nachruf:Der Fluch der Träume

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Martin Landau war ein ein Mann hinter tausend Masken und Perücken, ein großer Impersonator, Trickser und Täuscher.

Von Tobias Kniebe

Judah Rosenthal ist eine der komplexesten Figuren, die Woody Allen sich je ausgedacht hat: ein angesehener Augenarzt, der einen Mord in Auftrag gibt, davonkommt - und dann einfach lernt, mit seiner Schuld zu leben. "Verbrechen und andere Kleinigkeiten" heißt der Film, der 1989 gedreht wurde, aber die Besetzung der Hauptfigur erwies sich als Problem. Bis Martin Landau für die Rolle vorsprach. "Bei ihm wirkte alles komplett natürlich", erinnert sich Allen. Landau bedankte sich für das Vertrauen mit seiner wohl größten - und doch ganz in sich gekehrten - Performance.

Im Jahr zuvor hatte ihn schon ein anderer großer Regisseur besetzt, Francis Ford Coppola in "Tucker - Ein Mann und sein Traum". Da spielt er einen New Yorker Finanzier, der mithelfen will, das Auto der Zukunft zu bauen, und dabei den Preis bezahlt, den es kostet, sich "mit Träumen anzustecken". Beide Rollen brachten Martin Landau Oscarnominierungen, in aufeinanderfolgenden Jahren - womit eine jahrzehntelange schauspielerische Durststrecke endlich zu Ende ging.

Volle, überbreite Lippen, wild geschwungene Augenbrauen - der 1928 in Brooklyn geborene und zusammen mit James Dean und Steve McQueen im New Yorker Actor's Studio ausgebildete Schauspieler war schon immer eine besondere Erscheinung. In den stromlinienförmigen Fünfzigerjahren, als er anfing, sah man in solchen Typen eher Schurken, allerdings ziemlich attraktive. In Hitchcocks "Der unsichtbare Dritte" etwa spielt Landau die rechte Hand des Bösen, sehr elegant - und, was nicht im Drehbuch stand, recht offensichtlich in seinen Boss James Mason verliebt. "Hitchcock liebte diese Idee", erinnert er sich. Dabei wirkt er fast wie ein überzeichnetes Zerrbild des Helden Cary Grant - und darf auch bei der berühmten Felsenkletterei am Mount Rushmore dabei sein, bis zum spektakulären Sturz in die Tiefe.

Trifft man ihn in seiner frühen Karrierephase doch einmal auf der Seite der Guten, etwa als Agent Rollin Hand in der Fernsehserie "Mission: Impossible", dann ist er trotzdem die schillerndste Figur - ein Mann hinter tausend Masken und Perücken, ein großer Impersonator, Trickser und Täuscher. Die Serie lief 1966 an, und es gibt die Story, dass er etwa zur selben Zeit fast bei einem noch berühmteren Fernsehunternehmen angeheuert hätte - als Mr. Spock in "Star Trek". Verbürgt ist immerhin, dass er und Leonard Nimoy, der wirkliche Spock, gute Freunde waren - für den Rest fehlt allerdings die offizielle Bestätigung.

Seinen Oscar (und viele andere Preise) gewann Martin Landau schließlich für Tim Burtons "Ed Wood". Darin verkörpert er den alternden Stummfilmstar Bela Lugosi, einst legendärer "Dracula" und Star des Horrorkinos, Mitte der Fünfzigerjahre aber arm, morphiumabhängig und völlig vergessen. Bis Ed Wood alias Johnny Depp ihn wieder aufspürt und erneut ins Rampenlicht stellen will, was nur dadurch erschwert wird, dass Wood zwar sicher der enthusiastischste, aber auch der unfähigste Filmemacher aller Zeiten ist - eine wahre Geschichte.

Zeiten, in denen das Telefon nicht klingelt, lausige Angebote für lausige Filme - das alles kannte Martin Landau selbst. Aber er behielt immer den Glauben, dass sein "Homerun" noch kommen würde, und er sollte recht behalten. Am Samstag ist er in Los Angeles an einem Herzinfarkt gestorben. Er wurde 89 Jahre alt.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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