Nachruf:Big Poppa bittet zum Tanz

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Der Musikmanager Lou Pearlman war einer der zentralen Macher des Boy-Band-Hypes der Neunziger. (Foto: John Raoux/AP)

Louis J. Pearlman, der Musikmanager, der die Boygroups "Backstreet Boys" und "NSYNC" erfand, ist im Alter von 62 Jahren gestorben.

Von Till Krause

Der Mann, der so viele Menschen zu Stars machte, war am Ende seines Lebens einsam. Aus Louis J. Pearlman, genannt Big Poppa, dem Erfinder der " Backstreet Boys", war Häftling Nummer 02775-093 geworden. Verurteilt wegen Betrugs, sollte er bis März 2029 hinter Gittern sitzen. Wenn ihn jemand im Gefängnis in Miami besuchte, hatte er meist nur einen Wunsch: Bitte zwanzig Dollar in kleinen Scheinen mitbringen, damit er sich ein paar Mikrowellen-Hamburger und Coladosen aus dem Snackautomaten im Besucherraum leisten konnte. Das Essen hinter Gittern nannte er "eine Beleidigung".

Eigentlich war Pearlman andere Kost gewohnt: jahrelang gehörten teure Restaurants für den Manager von Megastars zum Alltag. Pearlman, 1954 geboren, wuchs in ärmlichen Verhältnissen im New Yorker Stadtteil Queens auf und wollte sein Leben lang vor allem eins: reich werden. Er gründete eine Firma für Werbezeppeline und träumte von einer eigenen Fluglinie. Doch seine wahre Karriere begann 1993, als er im Orlando Sentinel eine Anzeige schaltete: "Produzent sucht Sänger zwischen 16 und 19, die sich gut bewegen können."

Pearlman hatte keine Erfahrung in der Musikindustrie, doch er sah den Erfolg der New Kids on the Block und dachte: Das kann ich auch. Er stellte aus jungen, unbekannten Sängern die "Backstreet Boys" zusammen, die mit mehr als 130 Millionen verkauften Alben die erfolgreichste Boyband der Welt werden sollten. Zwei Jahre später wiederholte er den Erfolg mit NSYNC, der Band, in der Justin Timberlake seine Karriere startete. Es folgten: O-Town, Natural, US5. Pearlmans Lieblingssatz, den er Journalisten lächelnd in den Block diktierte, lautete: "Solange der liebe Gott kleine Mädchen erschafft, wird es erfolgreiche Boybands geben."

Geschäftspartner bezeichnen ihn noch heute als Genie im Zusammenstellen von Gruppen, als Getriebenen, der Perfektion verlangte. Viele Bands ließ er erst in Europa zu Stars werden, weil er bemerkt hatte, dass dort die Leute Musiker aus dem Ausland besonders innig verehren. Wenn eine Gruppe in Deutschland an der Spitze der Charts stand, brachte er sie als gefeierte Stars zurück nach Amerika. Doch sein Geld stammte nicht nur aus dem Musikgeschäft. 2007 wurde bekannt, dass Pearlman seit Jahren in krumme Geschäfte verwickelt war. Er überredete Kleinanleger, Geld in seine Firmen zu investieren, von denen viele nur auf dem Papier existierten. Als das Schneeballsystem zusammenbrach, verschwand Pearlman nach Bali, wo er unter dem Namen "A. Incognito Johnson" in ein Hotel eincheckte. Ein Tourist erkannte ihn, das FBI nahm ihn fest. Im Jahr darauf wurde er wegen Betrugs zu 25 Jahren Haft verurteilt. Von seinem Vermögen war nichts mehr übrig, der Insolvenzverwalter vermutete, es sei alles verprasst.

Am Freitag ist Pearlman im Alter von 62 Jahren im Gefängnis in Miami gestorben. Ende Juli hatte er sich einer Herzoperation unterziehen müssen, doch er sei auf dem Weg der Besserung gewesen, berichten Menschen, die ihm nahestanden, der SZ auf Nachfrage. Pearlmans Todesursache ist bislang nicht bekannt. Viele Mitglieder seiner Bands hatten sich von ihm abgewendet. Doch Lance Bass, Sänger bei NSYNC, schrieb in der Nacht zum Sonntag auf Twitter: "Er war vielleicht nicht der beste Geschäftsmann, aber ohne Lou würde ich heute nicht das tun, was ich liebe."

© SZ vom 22.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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