Musikkabarett:Schuld war nur der Bossa Nova

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Maximale Minimalisten: Stefan Noelle und Alex Haas (v. l.) spielen nur noch dann und wann für treue Fans. (Foto: OH)

"Unsere Lieblinge" feiern 25 Bühnenjahre

Von Oliver Hochkeppel, München

Für den Titel "Kleinstes Orchester der Welt" gibt es einige Anwärter, allen voran Hardin & York aus den Siebzigerjahren. Gleich danach aber kommen Unsere Lieblinge. Gerne wird der Bandname auf die beiden Protagonisten Stefan Noelle und Alex Haas bezogen, ursprünglich aber waren damit ihre Lieblingssongs gemeint. Und es war ein Insider-Gag darin verpackt, heißt doch auch eine Mundharmonika-Serie von Hohner so. Als typischer Scherz unter Jazzmusikern hatte das Ganze ohnehin angefangen. Der Schlagzeuger Noelle und der Kontrabassist Haas alberten nach einem Gig ein bisschen herum und verjazzten den Schlager "Schuld war nur der Bossa Nova". Und diese Transformation eines Songs in denkbar minimalistischer Form - Bass, ein zweiteiliges Drumkit aus Stehbecken und Snare, dazu zwei allerdings beachtliche Stimmen - machte ihnen dann mehr Spaß als das Konzert vorher. Also probierten sie aus, ob aus dem Jux mehr zu machen wäre.

Es stellte sich schnell heraus, dass sich nahezu die komplette U-Musik des 20. Jahrhunderts entsprechend zurechtbasteln lässt. Freilich funktioniert das nur, weil die beiden es musikalisch im Kreuz haben: Haas kann seinem Bass eine nahezu unbegrenzte Palette von Sounds entlocken, vom klassischen Schlagbass übers gestrichene Melodieinstrument bis zur - dazu übers Knie gelegten - E-Gitarre. Noelle bleibt auch an seinem Miniaturschlagzeug bunt perkussiv und schwer groovend. Vor allem aber sind die Arrangements einzigartig, ob die beiden nun "Strangers In The Night" balkanisieren, "Es ist ein Ros entsprungen" in "Spirit In The Sky" überführen oder Amy Whinehouses "Rehab" mit deutschen Saufliedern kreuzen.

Ohnehin waren die beiden quasi die Erfinder des Mash-up-Musters "24 Songs in drei Minuten", das man heute überall auf Youtube finden kann. Zur Geschmackssicherheit, die auch noch den größten Kitsch umformt, kommt der außergewöhnliche und eigenwillige Humor der Moderationen. Ein Gesamtpaket, das Anfang der 2000er Jahre auch in Theater- und Filmproduktionen Eingang fand (fürs Metropol-Theater und Gil Mehmert beispielsweise) und zu Kooperationen mit Literaten und Kabarettisten führte. Das aber vielleicht zu vielseitig, zu gut und seiner Zeit zu weit voraus war. Jedenfalls kamen die beiden über den Status eines Geheimtipps nie hinaus. 2014 stellten sie den Betrieb und die Homepage ein; Haas konzentrierte sich auf seinen Bass, Noelle auf seine neue Karriere als Chansonnier und seine Rolle als Gastgeber der Jazzreihe "Be My Guest" am Ackermann-Bogen und der Liedermacher-Matinee "Das Lied zum Sonntag" im Turmstüberl des Valentin-Musäums. Nur zu besonderen Gelegenheiten treten sie noch vor die treue kleine Fangemeinde. So eine kommt mit "Still crazy . . ." zur Feier von 25 Bühnenjahren jetzt wieder mal.

Unsere Lieblinge , Montag, 8. Mai, 20 Uhr, Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastraße 9

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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