Musik:Zurück in die Zukunft

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Der Trautonium-Virtuose Peter Pichler interpretiert Harald Genzmer neu

Von DIRK WAGNER, München

Der Detroiter Techno-Produzent Anthony Shake Shakir traute seinen Ohren nicht, als er beim Digitalanalog-Festival 2010 das von Peter Pichler geleitete Trautonium-Trio hörte. Obwohl das Trio Kompositionen von Paul Hindemith spielte, die eigens für das 1930 von Friedrich Trautwein erfundene Trautonium geschrieben wurden, hörte sich das fast so an wie aktuelle elektronische Musik.

"Drei verrückte Deutsche spielen auf verrückten Instrumenten. Damit ist denen der Erfolg in den USA sicher", kommentierte Shakir die Darbietung. Dabei schien er ebenso wie das restliche Publikum nicht bemerkt zu haben, dass er hier inmitten eines popmusikalisch geprägten Festivals astreiner E-Musik lauschte. Lediglich, dass jene Vorläufer eines Synthesizers schon älter sein müssen, war deutlich. Umso spannender wirkten sie aber, weil nun Zukunftsklänge in der Vergangenheit verortet wurden.

Aus genau dieser Vergangenheit, in der Tonsetzer und Instrumentenbauer gemeinsam nach neuen Klangmöglichkeiten suchten, weswegen das Trautonium übrigens nicht nur existierende Instrumente nachahmen wollte, stammen Harald Genzmers Kompositionen, die Peter Pichler nun auf einem bei Paladino Music erschienenen Album regelrecht einer Frischzellenkur unterzieht. Das wird deutlich, wenn man seine Version des "Concerto For Mixture Trautonium And Orchestra" aus dem Jahr 1952 mit der Fassung vergleicht, die Oskar Sala 1958 vom Sinfonie-Orchester des Süddeutschen Rundfunks begleitet eingespielt hatte. Abgesehen davon, dass Pichler das zweite Trautoniumkonzert von Harald Genzmer für ein Kammerorchester arrangierte, kürzte er auch die einzelnen Sätze und veränderte deren Reihenfolge. Die schnell vorgetragene Burleske im vierten Satz, die in der bei Wergo erschienenen Einspielung von Sala noch vorkommt, lässt Pichler sogar ganz weg.

Das Ergebnis rückt den eigenwilligen Klang des Trautoniums noch mehr in den Vordergrund. Wo Sala, der am Ende als einziger noch lebender Trautoniumspieler erschien, den eigenwilligen Klang seines Instruments nur noch museal bewahrte, entdeckt der gleichermaßen mit Punk wie mit der zeitgenössischen Musik eines John Cage aufgewachsene Münchner Peter Pichler den Trautonium-Sound wieder neu. Neugierig spielt er mit dem speziellen Klang des Instruments und lotet dessen Möglichkeiten aus. Damit rückt er die Kompositionen des vor zehn Jahren verstorbenen Genzmer auch mal in die Nähe von Techno. Etwa in der "Suite Des Danses Pour Instruments Électroniques" von 1958/1959.

Im "Bass-Solo In F-Major" von 1938 assoziiert der Klang des Trautoniums indes eine Kirchenorgel, deren majestätischer Klang dann regelmäßig sphärisch abdriftet. So hätte Johann Sebastian Bach in der deutschen Science-Fiction-Serie "Raumpatrouille Orion" klingen können. Im Herbst wird man den Sound wieder live auf dem Digitalanalog-Festival erleben dürfen. Unabhängig davon macht Peter Pichlers CD Lust auf mehr Trautonium-Musik. Auf dass auch mal wieder neue Werke für dieses spannende Instrument komponiert werden. Anthony Shake Shakir könnte sie dann gleich remixen.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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