Musik:Öde Ode

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Enno Poppe hat für die Münchner Musica viva ein Stück mit Orgel und Chor komponiert - zu einem Gedicht von Marcel Beyer. Das bleibt leider ebenso lau wie die Beiträge von Miroslav Srnka und Mathias Spahlinger.

Von Michael Stallknecht

"Wenn schon, denn schon!", dachte sich Enno Poppe laut Programmheft, als die Anfrage der Münchner Musica viva für ein Stück mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks kam - und nahm gleich noch die Orgel mit hinein. Das ist eine Besetzung, die auf eine "Chorkantate" oder gar "Ode" als Zentralstück bildungsbürgerlicher Selbstvergewisserung hinausläuft. Deshalb unterläuft sie Poppe nicht nur mit einem alles andere als repräsentativen Titel ("Ich kann mich an nichts erinnern"), sondern auch mit dem zugrunde liegenden Text von Marcel Beyer, der auch schon die Libretti für seine Opern geschrieben hat. "Fünf Zeilen" heißt das vertonte Gedicht aus Beyers Band "Erdkunde", das eine Industriebrache in osteuropäischen Transitzonen zeichnet. Doch leider versteht man davon bei der Aufführung im Herkulessaal allenfalls periodisch das Wort "Autoreifen" - und auch sonst nicht im Ansatz, warum hier gleich ein ganzer Chor auf den Spuren eines lyrischen Ichs durch die Ödnis stapft. Vieles von Poppe gehört zu den farbkräftigsten und humorvollsten Kompositionen der zeitgenössischen Musik, doch diesmal bleibt sein Orchestersatz schematisch, der Orgelpart beliebig, der Gesamtverlauf viel zu statisch.

Damit fehlte einem Abend der Abschluss, der trotz des feinnervigen Dirigats von Matthias Pintscher mehr Skizze als Ausführung geblieben war. Von Mathias Spahlinger hörte man die deutsche Erstaufführung der vollständigen Version von "off", in der der Komponist sechs Schlagzeuger auf sechs Kleinen Trommeln nacheinander und meistens homophon diverse rhythmische Pattern durcharbeiten lässt. Den tschechischen Komponisten Miroslav Srnka dagegen inspirierte bei "move 01" und "move 02" eine Kurve aus der Vektorbeschreibung, die für das Design von Autos entwickelt worden ist. Doch Srnkas "moves" bleiben allzu sehr Etüde, als dass sie einem von lauem Beifall begleiteten Abend Kontur verleihen könnten.

© SZ vom 15.05.2015 / stmi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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