Musik:Doktor Faustus

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Alfred Huber ist 1962 in Linz geboren. Er lebt im Allgäu und betreibt in Kempten eine Praxis für Neurochirurgie. Seine Kompositionen werden international aufgeführt. (Foto: Privat)

Alfred Huber ist Arzt und im Nebenberuf Komponist

Von Rita Argauer, München/Kempten

Irgendwann im Leben muss man sich entscheiden, das kapiert sogar Goethes Faust. Wenn man sich die Biografie von Alfred Huber ansieht, dann wirkt es allerdings so, als hätte er diesen Rat für den geradlinigen Lebenslauf nicht so ganz ernst nehmen wollen. Der 55-jährige Österreicher, der bei Kempten lebt, ist Arzt und Komponist. Er betreibt eine Praxis für neurochirurgische Wirbelsäulen- und Schmerztherapie und war zuletzt Composer in Residence des Wiener Concertvereins. "Ich habe früher nicht viel Schlaf gebraucht", sagt er. Und: "Ich habe mich schon entschieden. Nur für beides."

In München wird nun sein Opus 33, "Faustus", für Streichorchester, Orgel und Pauken uraufgeführt. Eigentlich sollte das schon im März geschehen, da zog sich der Solist und Auftraggeber der Komposition, der Münchner Organist Stefan Moser, einen doppelten Bandscheibenvorfall zu, weshalb Alfred Huber von dessen Komponisten zu dessen behandelndem Arzt wurde, denn auf Rückenleiden ist er als Mediziner spezialisiert.

Als Musiker sucht Huber nach dem Sinnlichen und Analytischem gleichzeitig. Neue Musik, die allzu sehr konstruiert ist, liege ihm nicht, die reine Struktur reiche nicht aus, für das transzendente Moment hinter der Musik. Plump historisierend komponiert er jedoch auch nicht. Alban Berg sei ihm näher als Arnold Schönberg, sagt er dazu. Und fast weht einen an dieser Stelle auch schon wieder so etwas Faustisches an, wobei sich Hubers persönliche Faszination mit diesem Stoff eher bei Thomas Mann begründet. Dessen Spätwerk "Dr. Faustus" habe er mit 15 Jahren gelesen, und das Schwanken des Protagonisten Leverkühn zwischen Theologie und Musik habe ihn dazu beflügelt, zu sagen: Medizin und Musik, warum nicht!

In Wien hat er dann erst einmal Medizin studiert, gleichzeitig aber in seiner Geburtsstadt Linz als Gast Tonsatzkurse am Bruckner-Konservatorium gehört. Später, nach dem Abschluss seines Medizinstudiums folgte ein ordentliches Kompositionsstudium am Landeskonservatorium in Feldkirch. Seitdem macht Huber beides. "Ich habe die eigene Praxis", sagt er, das gebe ihm Flexibilität. Im Moment arbeite er bis in den frühen Nachmittag als Arzt und anschließend bis zum Abend als Komponist. "Richtig ausbalanciert ist es aber nie", sagt er, doch er brauche beide Welten.

Seine beiden Berufsgebiete befruchten sich. Die Frage, wie und warum Musik auf Menschen wirkt, lässt sich musikalisch-sinnlich erspüren. Und neurowissenschaftlich erforschen. Huber hat dazu schon Symposien und Festivals veranstaltet. Und auch beim Komponieren hat er diese Erkenntnisse im Kopf. Es gibt da faszinierende Ergebnisse. Etwa vom Musikneurologen Stefan Koelsch. Der hat Probanden verschiedene Kadenzen vorgespielt und gemessen, welches Areal im Hirn darauf anspringt. Beim Neapolitaner, der in der Musik Affekte wie Leid, Trauer und Schmerz symbolisiert, sprang im Hirn das selbe Areal an, das auch bei Schmerzpatienten aktiv ist. Für so etwas kann sich Huber begeistern. Auch, weil sich da plötzlich messen lässt, wie sich etwas Transzendentes hinter der Struktur in der Musik zeigt. Ob man diese Ergebnisse dann eins zu eins in Kunst übersetzen kann, bleibt allerdings ein Mysterium. Das passt aber auch zu Huber. Denn prinzipiell sei er eher ein skeptischer Mensch.

Faustus , Uraufführung am Mi., 16. Mai, 20 Uhr, Philharmonie im Gasteig, Rosenheimer Straße 5

© SZ vom 15.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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