Messe:Die knüpfende Königin

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So ein Angebot interessiert auch Museumsdirektoren: Die "Bulgari-Uhr" wurde im 17. Jahrhundert in Augsburg gefertigt. (Foto: David I. Schwestermuller und Daniel Zech)

198 Experten untersuchen das Angebot im Vorfeld, damit Sammler aus der ganzen Welt bei der Messe "The European Fine Art Fair" (Tefaf) in Maastricht unbeschwert Millionen ausgeben.

Von Dorothea Baumer

Nicht umsonst wird die "The European Fine Art Fair" in Maastricht, kurz Tefaf, als die Königin der Messen gerühmt. Derzeit ist sie auf dem besten Weg, sich als globale Marke zu etablieren, mit inzwischen zwei Ablegern in New York. Das Ereignis ist glanzvoll, das Angebot herausragend, die Expertise der rund 270 führenden Kunsthändler ebenso. Das Geheimnis ihres Erfolgs ist, dass sie dem Zeitgeschmack stets auf der Spur zu bleiben und sich entsprechend zu wandeln vermag.

So ist auch die noch bis zum morgigen Sonntag laufende Ausgabe wieder ein Stück moderner geworden. Um dem zuletzt allzu heftigen Vernissage-Andrang beizukommen, hat man in diesem Jahr erstmals zwei exklusive Preview-Tage für Sammler und Museumsleute angesetzt, mit durchschlagendem Erfolg. Wichtige Verkäufe ereigneten sich buchstäblich in den ersten Stunden. Die Altmeistergalerie Colnaghi aus London sah sich schon am zweiten Tag gezwungen umzuhängen, nachdem amerikanische Museen bei sechs Gemälden und Skulpturen zugriffen, darunter einer Madonna des barocken Spaniers Bartolomé Esteban Murillo.

Erstaunlich aktiv zeigten sich auch deutsche Museen. Ein Paar Alabasterreliefs mit einer Verkündigungsszene, 1410/20 datiert, die schon im Jahr 1907 in den Bestand von Julius Böhler gekommen und am Doppelstand Blumka Gallery/Julius Böhler zu sehen war, erwarb eine deutsche Institution und auch ein Paar Rokokogemälde des 23-jährigen Jakob Philipp Hackert mit Berliner Tierpark-Ansichten, die Daxer & Marschall zeigt, werden wieder an ihren früheren Aufstellungsort in Schloß Sanssouci gelangen.

Die alte Kunst in ihren vielfältigen Ausprägungen ist immer noch der Magnet, der nicht nur kenntnisreiche Sammler, sondern auch hunderte Museumsdirektoren und Kuratoren nach Maastricht lockt, wo sie sich besser als irgendwo sonst einen Überblick über den Markt verschaffen können. Die ganz großen Zimelien werden immer rarer, aber wenn sie irgendwo zu finden sind, dann hier. Bei Franses aus London, einer Weltfirma für historische Textilien, liegt ein äußerst seltener Renaissance-Teppich mit dem Jülich-Kleve-Berg-Wappen aus, der am herzoglichen Hof von Wilhelm dem Reichen um 1550 entstanden sein dürfte, gearbeitet wohl von dessen Gemahlin Maria von Österreich. Ein kulturhistorisches Dokument ersten Ranges, das sich ein Düsseldorfer Museum denn auch nicht entgehen ließen.

Das Interesse an holländischen und flämischen Altmeistergemälden, lange Schwerpunkt der Messe, ist stark abgeflaut. Mehr Aufmerksamkeit genießen heute die italienischen und spanischen Malschulen. Das kann eine Goldgrundtafel mit Madonna und Heiligen von Agnolo Gaddi sein, um 1390 gemalt, die beim jungen Händlerteam Benappi/S. Mehringer bereits reserviert ist, oder bei J. Kugel, einer der üppigsten Schatzkammern der Messe, ein delikates, von Francesco Salviati auf rotschwarzem Marmor umrissenes Porträt des Roberto di Filippo Strozzi, das zudem in einem Originalrahmen des 16. Jahrhunderts steckt. Und reicht bis zu barocken Gewaltdramen wie Apoll und Marsyas von der Hand des Neapolitaners Giordano Bruno bei Colnaghi.

Präsent wie nie ist das 19. Jahrhundert, häufig die Salonmalerei dieser Epoche, die nicht immer frei von Kitschverdacht ist. Viele sind als Lockvogel präsentiert für die Altmeisterkabinette, beispielsweise am Zweigenerationenstand des New Yorker Altmeisterhändlers Otto Naumann, dessen Außenseite Sohn Ambrose symbolistisch erotischer Jahrhundertwende-Kunst schwedischer und spanischer Künstler widmet, darunter ein 1915 entworfenes "Model in Blue" des Schweden Axel Törneman für 30 000 Euro. Das Spitzenstück in Cinemascopeformat dieser Art bietet fraglos Amels Stockholm an: ein über vier Meter großes Hochformat der sich tötenden "Cleopatra" des Schweden Julius Kronberg,1883 in Rom gemalt, bis zuletzt Ausstattung eines Schlosses, und nun für zwei bis drei Millionen Dollar zu haben.

Gelungene Erweiterungen in Richtung Moderne gibt es durchaus. Bei Jean-Luc Baroni ist ein frühes Landschaftsbild mit Heuhaufen von Piet Mondrian aus dem Jahr 1809 zu entdecken, das für 950 000 Euro angeboten wird. Die Moderne-Sektion selbst versammelt viel Prestigeträchtiges von Van Gogh (bei Hammer Galleries) bis Picasso (Landau), Giorgio Morandi (Karsten Greve) und nicht zuletzt überraschend viel expressionistische Landschaftsmalerei, darunter eine große abstrakte "Phantasielandschaft in grün und schwarz" aus den Dreißigerjahren von Ernst Ludwig Kirchner für vier Millionen beim Londoner Dickinson.

Maastricht steht für Sammeln auf höchstem Niveau. Mit der Sektion "Tefaf Paper" sucht man seit ein paar Jahren auch ein jüngeres Publikum anzusprechen. Wie lohnend eine Tour über das Gelände sein kann, zeigt exemplarisch der Stand von Emanuel von Baeyer aus London. Bei ihm wäre die schöne Rötelzeichnung eines Ganymed von Hans von Marées für 28 000 Euro zu haben und eine rätselhafte Federzeichnung von Max Klinger, "Mädchen und Tod" für 42 000 Euro. Geschätzte 12 000 bis 30 000 Objekte hat das aus 189 Spezialisten bestehende, seiner Strenge wegen gefürchtete Vetting-Team im Vorfeld der Messe nach allen Regeln der Zunft auf Echtheit untersucht. Besucher können es dank ihrer Vorarbeit entspannter angehen.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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