Mediaplayer:Wir rufen zurück

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Michael Peña auf dem Schicksalspfad im Grenzdrama "Frontera". (Foto: Lighthouse)

Ed Harris als Lonely Cowboy und plötzlicher Witwer, dazu ekelhafte Schleuser und ein paar Kids, die einem Migranten einen Mord in die Schuhe schieben: Der Film "Frontera" ist ein Dokument des Grenz-Irrsinns.

Von Bernd Graff

Mitten in der Nacht hockt Roy, der ehemalige Sheriff, neben seinem altmodischen Anrufbeantworter und hört wieder und wieder die Ansage ab, die seine Frau darauf gesprochen hat: "Hi! Wir sind gerade nicht da. Hinterlassen Sie doch Ihre Nummer! Wir rufen zurück." Das ist nicht viel an Botschaft, und doch ist es die einzige Sprachnachricht, die Roy von seiner Frau Olivia bleiben wird. Denn erst jetzt, in dieser dunkelsten Stunde der Nacht, beginnt er zu ahnen, was sich abgespielt hat am Morgen zuvor: Die Gewissheit von Olivias Tod sickert in seinen kantigen Schädel wie ätzendes Gift. Er selber hielt sie in ihren letzten Momenten blutüberströmt im Arm, doch begriffen hat er ihren Tod noch nicht. War es Totschlag, war es ein Unfall?

"Frontera" spielt auf beiden Seiten der Grenzlinie, die Mexiko und Arizona voneinander trennt. Miguel hat sich am Morgen dieses schicksalhaften Tages aufgemacht, die Grenze zu den USA illegal zu passieren. Zurück lässt er seine schwangere Frau und seine Tochter. Arbeit sucht er dort drüben natürlich, ein besseres Leben, seine Familie soll dann folgen, das Baby in den USA geboren werden. Doch Miguel ist nicht allein, sein Schleuser - man nennt diese Leute hier "Kojoten" - zwingt ihm einen Begleiter auf, Jose, der geradezu idiotisch fahrlässig und quengelnd wie ein Kleinkind auf diesem Trip durch die Wüste stolpert.

Die beschwerliche Route ist übersät mit Hinterlassenschaften: dem achtlos weggeworfenen Müll, den zerschlissenen Klamotten, den leeren Wasserflaschen all der anderen Migranten, die sich vor ihnen auf den Weg ins vermeintliche Glück gemacht haben. Und so treffen die beiden auf Olivia, die ihnen erklärt, dass sie jetzt drüben sind und gerade ihr Land betreten haben. Sie verteilt Wasser und eine Decke, weist den Weg zum Highway und praktiziert so freundliche wie routinierte Willkommenskultur. Doch nicht nur sie kennt die Grenz-Passage, die von den "Illegalen" genommen wird. Ein paar übermütige Kids haben einen Hinterhalt vorbereitet, lauern den Grenzgängern mit Gewehren und scharfer Munition auf - angeblich nur, um ihnen Angst einzujagen. Das geht gründlich schief. Olivias Pferd scheut bei dem Geballer, die Frau stürzt, erleidet schwere Kopfverletzungen. Roy findet sie sterbend, sieht, dass Miguel die Zügel des Pferdes hält. Der rennt weg, doch Roy wird ihn später identifizieren. Miguel kommt in Haft. Es scheint klar: Er wollte das Pferd stehlen, die Kids, der Sohn des neuen Sheriffs ist darunter, taten dann alles, so heißt es, um die Attacke und den versuchten Diebstahl durch den Illegalen zu verhindern.

Ist der Film bis dahin eine Meditation über die destruktive Kraft von Vorurteilen, wandelt er sich nun zum Drama, als Paulina, Miguels schwangere Frau, versucht, mithilfe von skrupellosen Kojoten über die Grenze zu ihrem Mann zu gelangen. Denn diese Schleuser weisen nicht einfach den Weg, sie wollen noch viel mehr Geld von ihr und den anderen Illegalen für die Tour kassieren. So nehmen sie den Trupp in Geiselhaft, misshandeln und vergewaltigen, kontaktieren dann die Familien, um weiteres Geld zu erpressen. Unter anderem, um damit amerikanische Grenzpolizisten zu schmieren.

Einzig Roy misstraut dem hastig zusammengebastelten Erklärpuzzle zum Hergang des Unfalls. Gespielt wird er vom großartig stoischen, tadellos blauäugigen Ed Harris. Nachdem er den Schock über den Verlust seiner Frau (dargestellt von Harris' eigener Ehefrau Amy Madigan) überwunden hat, beginnt er selber zu forschen, entdeckt einen weiteren Heckenschützen, der den Migranten-Trail patrouilliert und sofort schießt - nicht, um zu erschrecken, sondern, wie sein Auto-Aufkleber verrät, um als Amerikaner die Dinge in die Hand zu nehmen, an die sich Politiker nicht herantrauen.

Obwohl also Roy allen schnellen Erklärungen widersteht, sich nicht korrumpieren lässt, den Heckenschützen stellt und Miguel schließlich Arbeit verschafft, ist am Ende gar nichts gut: Die Situation an der Grenze mit ihrem Faustrecht hat sich keinen Deut verbessert. Es wird dort so weitergehen, und Roy wird alleine trauern.

Frontera erscheint am 25.09. auf DVD (ab 10,99 Euro) und Blu-ray (ab 13,99 Euro). Der Film ist außerdem als Video on Demand erhältlich, zum Beispiel bei Google Play oder iTunes (ab 3,99 Euro).

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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